ursundestherunterwegs

Wednesday, August 30, 2006

IM KOOTENAY (BC)

Da wir heute Abend in Castleberg unerwartet drahtlosen Internetanschluss haben, senden wir schon wieder eine neue Nachricht. Eine Karte folgt mit der nächsten Nachricht.

Der Kootenay ist das südöstliche Gebiet von British Columbia, umfasst mehrere hohe Bergketten in nord-südlicher Ausrichtung. Zwischen ihnen erstrecken sich wunderschöne, schwach besiedelte Täler mit Flüssen und einer Vielzahl lang gezogener Stauseen. Braun- und Schwarzbären, Elche, Wapitihirsche und Rehe haben hier ein weites Revier. Leidere sehen wir keine davon. Der Westen ist eher feuchtes Regenwaldgebiet, der Osten trockener und der Süden wegen der Wärme und der Bewässerungsmöglichkeit äusserst fruchtbar. Dieser Sommer war (und ist jetzt noch) recht heiss und trocken. Das treibt die Bären in die Täler, da sie in den Wäldern keine Beeren finden.


DER GLACIER NP
Frisch gestärkt vom Thermalbad und der Massage fahren wir in den Glacier NP. Auf der Passhöhe, dem Rogers Pass (1350m), stellen wir die Uhr wieder auf Pacific Time (Schweizerzeit + 9 Std.) und gewinnen so eine Stunde Schönwetter.
Der Glacier NP befindet sich mitten in den Selkirk Mountains. Diese Gebirgskette verläuft parallel zu den Rocky Mountains (Jasper, Banff, Yoho und Kootenay NP) in Nord-Süd Richtung und wird im Osten, Norden und Westen vom Columbia River umsäumt, der 100 km südlich von Radium Hot Springs entspringt und zuerst nach Norden, dann nach Süden fliesst. Zwischen Revelstoke und Castlegar, wo der Kootenay River in den Columbia mündet, wird er zu einem 232 km langen Stausee. Dann wendet er sich den USA (Washington) zu und mündet nach Portland in den Pazifik.
Im Glacier NP befinden sich 440 Gletscher. Bald werden es weniger sein. Wir befinden uns im Regenwald. Im ‚lonely planet’ lesen wir: „it only rains here twice a week - once for three days and then again for four.“ Petrus schläft offensichtlich: wir haben prächtiges Sommerwetter. Auf dem Campground auf 1250 m bei einer ehemaligen Bahnschlaufe der Canadian Pacific Railway (CPR) wird es am Nachmittag 26°!

Der Rogers Pass ist ein bedeutender Übergang. Als British Columbia 1871 zur Kanadischen Konföderation kam, versprach der erste kanadische Präsident, Sir John A. MacDonald, innerhalb von 10 Jahren BC mit dem bereits bestehenden kanadischen Bahnnetz zu verbinden. Das war ein schwieriges Unternehmen, da es galt, einen Weg durch die Rocky Mountains und die Selkirk Mountains zu finden. In den Rocky Mountains wurde die Bahnlinie über Banff, Lake Louise durch den Yoho NP geführt. In den Selkirk Mountains folgte Major A. B. Rogers 1881 dem Illecillewaet River von Westen her und im folgenden Jahr von Osten her und fand den Zugang zum später nach ihm benannten Pass. Den ihm für seine Leistung ausgestellten Check über 5000 $ löste er nie ein. Am 7. November 1885 wurde die Bahnstrecke eingeweiht. Übrigens wurden Schweizer Bahningenieure zum Bau der Kehrtunnels NP à la Gotthardbahn im Yoho NP herbeigezogen. Eine heikle Strecke war der Rogers Pass selber. Obwohl nur auf 1350 m gelegen, fallen hier im Winter normalerweise 12 m Schnee. Deshalb fuhren im ersten Winter 1885/86 noch keine Züge über den Pass. Erst als 1904 Schneeschleudern eingesetzt wurden, war der Betrieb im Winter möglich. Doch nur während weniger Jahre fuhr die CPR über den Rogers Pass.

Das still gelegte Bahntrassee ist heute auf 3.8 km als breiter Weg begehbar. Informationstafeln künden von der früheren Glanzzeit. Um die Finanzen der Bahn aufzubessern, wurde hier, wo heute der Campgrund liegt - wie schon zuvor in Banff und Lake Louise - ein Hotel gebaut. Der Tourismus blühte auf. Schweizer Bergführer wurden angeheuert, die viele Berggipfel für die Touristen erschlossen. Die Gegend erinnert uns an Morteratsch: Die Kurve der Bahnlinie, der Wald, Gletscher und Berggipfel im Hintergrund.

Dann geschah das Furchtbare: Am 4. März 1910 waren Arbeiter damit beschäftigt, die von einer Lawine verschüttete Strecke neben einem Tunnel frei zu schaufeln, als unerwartet von der Gegenseite eine Lawine hernieder donnerte und über 60 Arbeiter verschüttete. Ein 4 km langer Tunnel wurde gebaut. Das bedeutete das baldige Ende des Hotelbetriebs. 1925 wurde das Hotel geschlossen und demontiert. In den 80er Jahren wurde ein weiterer, 14 km langer Tunnel gebaut (der längste auf dem nordamerikanischen Kontinent), der jedoch wegen Lüftungsproblemen kaum befahren wird.

Am Sonntag lockt uns der Berg. Um halb neun Uhr gehen wir im schattigen Wald auf schön ausgebautem Wanderweg in die Höhe. Vermutlich wurde dieser Weg von den damaligen Schweizer Bergführern angelegt. Geschickt überwindet er einige abschüssige Felsbarrieren. Auf dem Abbott Ridge (ein Bergkamm) erwartet uns nach 2 ½ Stunden Aufstieg eine unerhörte Aussicht auf Berge und Täler. 345° soll das Panorama der vergletscherten Gipfel betragen. Wir können uns kaum satt sehen. Und was erfreulich ist: Keine Kuhfladen, kein Schafskot, keine lauten Touristen. Erst beim Abstieg kommen uns ein gutes Dutzend Leute entgegen, meistens Europäer.


IM OESTLICHEN KOOTENAY
Im Städtchen Revelstoke campieren wir direkt am Williams Lake, einem fast 25° warmen Badesee, was uns sehr entgegen kommt. Tags darauf fahren wir auf praktisch verkehrsfreier Strasse dem zum Upper Arrow Lake gestauten Columbia River entlang südwärts und überqueren ihn in einer zwanzigminütigen Fahrt auf einer Gratisfähre. Überall in den Wäldern sehen wir Rauch und sehen und hören Helikopter, die Löschwasser herbeibringen. Die Leute haben sich an die vielen Waldbrände, die zum grossen Teil menschlicher Nachlässigkeit zuzuschreiben sind, gewöhnt.
In den Halycon Hot Springs lädt uns wiederum ein Thermalbad zum Verweilen. Der Campground gleicht zwar eher einer Kiesgrube, meint Esther, doch das Bad ist hervorragend. Etwa 50 m über dem steilen bewaldeten Seeufer angelegt, gibt es vier Becken mit Temperaturen von 12 bis 42°. Am Abend geniessen wir nochmals eine Massage. Diesmal kommt Urs auf seine Rechnung: eine schmerzlose, sanfte Behandlung durch weibliche Hände. Die Masseuse rät uns dringend, nach Osoyoos zu fahren. Dort sei das Klima trocken und warm, nicht feucht wie hier. Und tätsächlich beginnt es auch gleich zu regnen, und wir besinnen uns auf ihren Rat.

Über Nakusp geht es am nächsten Morgen weiter südostwärts an den Kootenay Lake, den gestauten Fluss, dem wir im gleichnamigen Nationalpark entlang gefahren sind. Da es fast ununterbrochen regnet, verzichten wir auf Wanderungen und fahren über Nelson nach Castlegar. Hier zeigt sich wieder die Sonne. Es habe hier nur zehn Minuten geregnet und gestern sei es 35° warm gewesen. Der Regen wäre für die Vegetation dringend nötig. Morgen fahren wir weiter ins westliche Kootenay.

Friday, August 25, 2006

Herrliches Sommerwetter in British Columbia (BC)

Seit unseren letzten Nachrichten sind fast zwei Wochen vergangen. Wir übernachteten vor allem in staatlichen Campgrounds abseits der Zivilisation und hatten deswegen keinen drahtlosen Zugang zum Internet. Anderseits lud das herrliche Spätsommerwetter zum Wandern ein, sodass zu wenig Zeit blieb, um einen drahtlosen Zugang zu suchen. In Radium Hot Springs haben wir einen komfortablen Campground mit dieser Möglichkeit.

DER YELLOWHEAD HIGHWAY (Prince Rupert - Jasper)
Am Montag, 14.8. fahren wir mit der Alaska Fähre in Juneau (Alaska) ab. Der Himmel hellt sich auf. Wir sehen auf der 28-stündigen Fahrt, die uns zwischen den Inseln, die das Festland vor dem offenen Pazifik abschirmen, hindurch führt, Hunderte von Buckelwalen, Seehunde, Delphine, aber auch Eisberge, die sich von den Gletschern, die bis ins Meer hineinreichen, losgerissen haben. Damit uns nicht das Schicksal der Titanic ereilt, weicht der Kapitän diesen verborgenen Hindernissen natürlich aus.
Wie wir am nächsten Morgen erwachen, sehen wir aus dem Kabinenfenster Nebelschwaden über die Meeresfläche ziehen, darüber blauen Himmel. Wir können es kaum fassen: Wir fahren nach langer Regenzeit und Kälte in den warmen Sommer von BC hinein.
Während einer guten Woche geht es auf dem Yellowhead Highway ostwärts. Die 2853 km lange Strasse, die Prince Rupert über Edmonton (Alberta) mit Winnipeg (Manitoba) verbindet, wird nach einer unscheinbaren Ortschaft, Tête Jaune Cache, genannt. Diese hat ihren Namen von einem blondhaarigen Méti (= Sohn eines Franzosen und einer Indianerin) irokesischer Abstammung, Pierre Bostonais, der den Franzosen früher als Führer diente und an diesem Ort Pelze versteckte. 1827 ermordeten Indianer ihn und seine Familie.
Kurz nachdem wir die Fähre in Prince Rupert verlassen haben, halten wir an einer Stromschnelle und machen einen einnstündigen Spaziergang durch den Regenwald - diesmal bei Sonnenschein! Die Flut hat soeben eingesetzt und das Wasser strömt über die Stromschnellen flussaufwärts ins Landesinnere - ein ungewöhnlicher Anblick! Endlich finden wir im Wald auch Heidelbeeren und essen, was der Bär uns übrig gelassen hat.
Die Strasse dem Skeena River entlang fasziniert uns. Hohe Berge umsäumen das schmale Tal, wo sich neben dem sich breit gewundenen Flussbett, das manchmal zu einem schmalen, langen See wird, Strasse und Eisenbahnlinie einen Weg suchen. Wir geniessen die ruhige Fahrt auf der kaum befahrenen Strasse.
In Terrace übernachten wir auf einem schön angelegten Campground auf einer kleinen mit hohen Bäumen bewachsenen Insel. Neben unserem RV hören wir ein Knacken und sehen, wie sich die Gebüsche bewegen. Plötzlich erblicken wir einen dunklen Kopf mit heller Schnauze: es ist ein junger Schwarzbär, der die roten Beeren des Devil’s Club, einer stinkenden Pflanze, frisst. Das gibt garantiert Durchfall! Etwas später sehen wir ihn auf dem Zufahrtsweg. Am liebsten möchten wir ihn streicheln; doch das würde er kaum schätzen. Ein Tourist hat einmal das Steuerrad seines Wagens mit Honig bestrichen, damit ein Schwarzbär in den Wagen steigt. Der kam tatsächlich, leckte den Honig. Der Tourist machte ein Superfoto. Doch es war sein letztes! Leider ist der Bär in seinem eigenen Revier, das er mit uns Campern teilen muss, nicht gern gesehen. Am Morgen steht neben unserem RV eine Bärenfalle. Am liebsten möchten wir ‚unseren’ Bär warnen.
Am nächsten Tag beobachten und filmen wir einen erwachsenen Bären, der in einer gemähten Wiese sitzt und sich behaglich das Heu, das der Bauer gemäht hat und bald einbringen will, in sein Maul schaufelt.
Die Nächte werden länger und endlich dunkel, das Wetter immer besser und wärmer. In Jasper, auf 1100 m Höhe klettert das Thermometer am 21.8. sogar auf 29°!
In Hazelton, am Zusammenfluss von Skeena River und Bulkley River, können wir Ksan besichtigen, ein rekonstruiertes Indianerdorf, das aus grossen Langhäusern besteht. Diese dienten der grossen indianischen Bevölkerung als Winterbehausung. Vom Frühling bis Herbst waren sie als Jäger, Fischer und Beerensammler unterwegs. Nach der Ankunft der Weissen im 19. Jahrhundert rotteten Krankheiten wie Masern, Cholera und Windpocken die zuvor mehrere Tausend Indianer dieses Stammes beinahe aus. Da bei unserer Besichtigung wenig Touristen anwesend sind, erhalten wir eine private Führung von einer Einheimischen dieses Stammes.
Am Yellowhead Hwy liegen wenige, aber sehr gepflegte Ortschaften. Von Smithers, einer Ortschaft, die im 19. Jh. vor allem von Schweizern und Deutschen besiedelt wurde, starten wir zu einer ersten Bergtour. Die Waldgrenze reicht hier bis 1700 m (Alaska 900 m). Auf dieser Höhe erleben wir nochmals einen späten Bergfrühling. Blumen, wie das Indian Paint Brush und das Fireweed (Weidenröschen), die im Tiefland schon längst verblüht sind, stehen hier in voller Blüte. Wir geniessen die weite Aussicht auf die Schneeberge im Süden. Auf dem Parkplatz fliegen einige Gray Jay, eine Häherart, herbei und betteln um Futter. Sie setzen sich zu dritt auf Esthers Hand, um Brosamen zu picken und setzen sich sogar auf meine Hand, die den Fotoapparat hält.
Unterwegs treffen wir an einem einzigen Tag vier Mal eine deutsche Familie, die wir schon auf unserem ‚Bärencampground’ gesehen haben. Da sie Richtung Calgary fährt und bis Lake Louise etwa den gleichen Zeitplan hat, reisen wir eine Woche gemeinsam, d.h. wir machen hin und wieder eine gemeinsame Wanderung und treffen uns dann am Abend jeweils im selben Campground zum gemeinsamen Campfire. Es gibt praktisch keine Mücken mehr, so sitzen wir jeden Abend draussen und geniessen auch mal ein feines Sirloin Steak vom Grill mit einem guten kanadischen Wein aus dem Okanagan Valley.

NATIONALPARKS (Jasper, Banff, Kootenay)
Die drei Nationalparks (NP) Jasper, Banff und Yoho kennen wir von unserer früheren Reise 1999 her. Wir beschliessen, nur bis Lake Louise und dann durch den uns noch unbekannten Kootenay NP nach Radium Hot Springs zu fahren.
Der Campground in Jasper ist zwar recht gross. Er bietet Platz für über 700 Wagen. Doch da die Stellplätze weit auseinander liegen, ist es trotzdem ruhig. Wir befinden uns im Revier der Wapitihirsche. Diese weiden auf der grossen Wiese des Campgrounds und lassen sich auch durch Hunde nicht aus der Ruhe bringen. Am Abend streifen sie neben unserem RV durch den Wald. Eichhörnchen huschen flink umher, klettern auf die Bäume, werfen Tannzapfen herunter, die sie dann am Boden einsammeln, um die Samen daraus zu picken. Da wunderbares Wetter herrscht, besteigen wir zusammen mit dem älteren Jungen Marions den Berg The Whistlers. Durch wunderbaren Laubwald, der von vielen - meist leer gefressenen - Beerensträuchern durchsetzt ist, schlängelt sich der Weg aufwärts. Kotspuren verraten uns, dass der Bär vor uns da war! Unterwegs möchten wir etwas essen. Mit Schrecken stelle ich fest, dass ich nur das Getränk - immerhin das Wichtigste! - eingepackt habe. Dann geht es durch Tannenwald weiter. Die Waldgrenze liegt hier schon bei 2200 m. An grossen Steinblöcken, Erikasträuchern, noch blühendem Indian Paint Brush und verblühten Schwefelanemonen vorbei erreichen wir nach einem Aufstieg von 1100 m die Bergstation der Seilbahn. Mit dieser fahren wir runter. Im türkisblauen Annette Lake, einem Bergsee auf 1200 m Höhe, geniessen wir ein erfrischendes Bad und wärmen uns dann an der Sonne.

Der Icefield Parkway, der den Jasper NP mit dem Banff NP verbindet, ist stark befahren. Es hat unglaublich viele Touristen. Wir suchen deshalb abgelegene Campgrounds auf, die in ruhiger Lage an Flüssen im Walde liegen.
In drei Tagesetappen fahren wir die 230 km von Jasper nach Lake Louise. Unterwegs gibt es einiges zu besichtigen: Der Athabaska River hat sich im Laufe der Jahrtausende an einer Felsbarriere immer wieder einen neuen Weg durch die horizontal geschichteten Felsen gesucht und jetzt einen tiefen Canyon gebildet. Am Sunwaptafall beeindruckt die vertikale Schichtung der Felsen, in die sich der Fluss etwa 20 m tief eingegraben hat. Sunwapta bedeutet ‚reissendes Wasser’. An einem Turnout stehen ein Dutzend Bighorn Sheep am Strassenrand. Der Rampart Creek Campground ist sehr schön und ruhig gelegen. In der Nähe fliesst der Saskatchewan River. Auf der Ostseite erheben sich über 1000 m hohe Felswände. Nach dem Essen spazieren wir den Fluss entlang und sehen Spuren von einem Wapiti (grosser Hirsch) und vermutlich von einem Cougar (Berglöwe). Wir halten auch am Mistaya Canyon. Der Fluss, der vom Peyto Gletscher her kommt, hat sich hier tief in die Felsen eingefressen. Wie wir zum Auto zurückkommen, beginnt es zu regnen. Während der Weiterfahrt giesst es eine halbe Stunde lang in Strömen. Am Peyto Lake hört der Regen langsam auf und die Sonne kommt allmählich hervor, sodass wir den türkisblauen See fotografieren können. Wir steigen noch gute 200 Meter weiter hinauf, bis wir einen schönen Überblick haben.

Am durch die Skirennen berühmten Lake Louise vorbei fahren wir früh zum Moraine Lake hinauf und finden noch rechtzeitig einen Parkplatz. Die Aussicht ist atemberaubend: der türkisblaue See, im Hintergrund zehn Berggipfel mit Gletschern, einer davon ein Hängegletscher, der wie ein Wasserfall zwischen den Felsen sich hinunter zu stürzen scheint. Zuerst gehen wir den Pockpile Trail, ein Aussichtspunkt mit guten Infotafeln. Dann wollen wir ins Larch Valley aufsteigen. Für diesen wie andere Trails werden nur Gruppen von mindestens sechs Personen zugelassen, weil er durch Grizzlygebiet führt. Es schliessen sich uns zwei Amis aus Minnesota und zwei Holländer an, und wir gehen etwa 400 m aufwärts bis wir in den Lärchenwald gelangen. Von hier aus geniessen wir die schöne Aussicht auf die nahen Berggipfel.

Auf dem TCH (Trans Canada Highway, der über 7400 km von Victoria auf Vancouver Island bis an die Atlantikküste führt) und nachher auf der #93 fahren wir weiter über den Vermilion Pass in den Kootenay NP. Um 17 Uhr sind wir am Marble Canyon Campground, wo wir mit Marion und den Jungen abgemacht haben. Der Campground ist jedoch wegen Grizzlybären geschlossen. Die sind einiges gefährlicher als die Schwarzbären. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als am Strassenrand bei der Einfahrt zu warten, bis Marion und die Jungen eintreffen und dann mit ihnen 60 km weiter bis zum nächsten Campground, McLeod Meadows, zu fahren. Die Fahrt am Abend ist sehr schön. Das Tal des Kootenay River ist tief eingeschnitten. Wälder erstrecken sich bis an die Felsgipfel. Leider ist ein grosser Teil des Waldes verbrannt. Ob durch Blitzschlag oder durch unvorsichtige Camper, erfahren wir auf den Infotafeln leider nicht. Hier verabschieden wir uns von Marion und den Jungen, die Richtung Calgary fahren.

In Radium Hot Springs geniessen wir das Thermalbad, das zwischen hohen bewaldeten Felswänden eingebettet liegt. Wir lassen danach unseren Gaumen in einem Restaurant im Freien verwöhnen. Die Sonne scheint herrlich warm. Wir haben über 25°. Dann gehen wir nochmals ins Thermalbad und gönnen uns eine Massage. Ich habe mit einer entspannenden Massage durch eine hübsche junge Masseuse gerechnet. Stattdessen erscheint ein wahrer Hüne, ein über 2 m grosser muskulöser Masseur, der unsere alten, verspannten Muskeln durchknetet. Das Wohlgefühl danach lässt die schmerzhafte Prozedur vergessen. Dann beginne ich selber zu kneten, nämlich den Teig für zwei Butterzöpfe, die es morgen zum Frühstück gibt. Währenddessen wäscht Esther in der laundry des Campgrounds unsere Wäsche. Und dann geht es ab ins Internet, um all unsere Freunde an unserem Glück teilnehmen zu lassen.

Sunday, August 13, 2006

Regen - einen lieben Sommer lang


DER RICHARDSON HIGHWAY (Valdez - Delta Junction)
Das Erdbeben von 2004 hatte den Glenn Hwy zwischen Glennallen und Tok stark beschädigt. Von einer Fahrt auf diesen 220 km wurde uns dringend abgeraten. Folglich machen wir den 100 km weiten Umweg über Delta Junction. Die Fahrt durch die Chugach Mountains, am Westrand der Berggipfel des Wrangell-St.Elias NP entlang und durch die östliche Alaska Range ist abwechslungsreich. Wir geniessen den Blick auf die verschneiten Berge, die mächtigen Gletscher, die weiten Täler. Der Wrangell-St.Elias NP ist der grösste NP Nordamerikas und grösser als die Schweiz. Mit dem Mount Logan, der allerdings in Kanada liegt, hat er sogar fast einen Sechstausender (19'550 ft./5950 m). Fälschlicherweise wird er auf manchen Karten und so auch im neuen Wrangell-St.Elias Center als Sechstausender (19'850 ft./6050m) ausgegeben. Endlich wird das Wetter sonniger. Die Strasse ist sehr schwach befahren, und wir erholen uns von der etwas ungewohnten Hektik des Strassenverkehrs auf Kenai Island.
Der Bau des Richardson Hwy geht wie der anderer Strassen auf den Alaska Goldrush zurück. Zuerst wurde von Valdez ein Trail (der Delta Trail) über einen Gletscher angelegt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts baute man dann eine Fahrstrasse über den Thomson Pass, , die im 2. Weltkrieg aus strategischen Gründen ausgebaut wurde.
Die 1973 eröffnete 800 Meilen lange Alyeska Pipeline verläuft parallel zur Strasse. Ein Dutzend Pumpstationen sorgen dafür, dass das über 40°C warme Rohöl innert einer Woche von der Prudhoe Bay über drei Gebirgszüge bis Valdez transportiert wird. An einer der grossen geologischen Verwerfungsstellen Amerikas, dem Denali Fall, wurden für den Fall eines Bebens Vorkehrungen getroffen: die Röhren können sich horizontal bis 7 m, vertikal bis 2 m verschieben. Zahlreiche Informationstafeln geben uns Aufschluss über die zahlreichen Probleme der Pipeline, die wiederzugeben den Rahmen des blogs sprengen würde. Die gegenwärtige Drosselung der BP wegen Korrosionsschäden auf ein Viertel der Normalmenge hat den Benzinpreis in die Höhe getrieben.

In Delta Junction, dem offiziellen Ende des Alaska Hwy, mündet der von Süden von den Alaska Range kommende Delta River in den Tanana River, der von Südosten her seit der Grenze zu Kanada dem Alaska Highway entlang fliesst. Vom Flussufer aus haben wir einen prächtigen Blick auf die weissen Gipfel der Alaska Range: Mount Deborah (3639m), Hess Mountain (3761m) und Mount Hayes (4216m). In der Nähe erhebt sich der Donnelly Dome (früher Delta Dome), das Wetterzeichen für Delta Junction: Zwei Wochen, nachdem der lediglich 3910 ft hohe und damit nur etwa 500 m über DJ sich erhebende Gipfel mit Schnee bedeckt ist, fällt auch in DJ der erste Schnee.

DER ALASKA HIGHWAY (Delta Junction - Haines Junction)
Von Delta Junction fahren wir südostwärts auf dem Alaska Hwy, zuerst bis Tetlin Junction eine Strecke, die wir am 11.7. befahren hatten. Die Fahrt durch die schönen Wälder verläuft ruhig. Wiederum können wir die Fahrt auf der schwach befahrenen Strasse geniessen. Die Berge des Wrangel NP im Südwesten bilden während der ganzen Fahrt eine schöne Kulisse, die uns immer zu Zwischenhalten anregt. Dann geht es in der gleichen Richtung weiter und bald überqueren wir die Grenze zu Kanada (Provinz Yukon). Die zu Alaska gehörende Strecke bis hierher ist ‚nur’ 322 km. Der Rest, 1969 km führt durch kanadisches Staatsgebiet (Yukon und British Columbia).
Die Grenze zwischen Alaska und Yukon wurde 1908 definitiv festgelegt. Eine 6m breite Schneise zieht sich von Süden bis Norden auf dem 141. Längengrad durch Tundra und Taiga. Bis Haines Junction zeigt sich die Landschaft recht monoton. So verpasse ich nichts, wenn ich mich voll auf die Strasse konzentrieren muss. Der Strassenbelag ist nämlich holperig und von unzähligen Schlaglöchern durchsetzt, und mehrmals fahren wir über kilometerlange Baustellen. Der RV wird wieder mit einer festen Schmutzkruste überzogen. Wir verzichten darauf, ihn zu reinigen, denn der bald einsetzende Regen wäscht ihn selber mehr oder weniger sauber.

Am Kluane Lake übernachten wir in traumhafter Lage direkt am Seeufer. Wir wollen hier nochmals die Sonne geniessen. Wir sitzen am Fenster mit Blick auf den See, der von der starken Bise aufgewühlt ist. Weisse Schaumkronen jagen über die Wasserfläche. Den ganzen nächsten Tag regnet es!
Auf dem weitläufigen Areal des Campground, der sich über 500m dem Seeufer entlang zieht, verköstigen sich öfters Grizzlies, da hier viele Beeren wachsen. Wir sehen viele Stauden der Canada Buffaloberry (Soopolallie), die reich an Vitamin C ist, aber auch Durchfall verursacht. Das können wir an den Spuren am Parkeingang feststellen: ein Brei von leuchtend roten Beeren, die der Bär fast unverdaut wieder ausgeschieden hat. Auf der Ostseite zeige sich, so warnt man uns, öfters ein Bär, auf der Westseite eine Mutter mit zwei Jungen. Am Schluss unseres Pirschgangs müssen wir uns gestehen, dass wir eigentlich froh sind, ihnen nicht begegnet zu sein!

DER HAINES HIGWAY (Haines Junction - Haines)
Die 250 km bis an den Lynn Canal an der Pazifikküste zählen zu den schönsten Strecken Alaskas, und wir lassen uns Zeit. Zudem scheint ab und zu die Sonne, so dass wir ein paar Wanderungen machen können.

Die Verbindung vom Meer durch das Gebirge ins Landesinnere war lange Zeit ein von den Tlingit-Indianern streng gehütetes Geheimnis. Ausschliesslich sie trieben über den Chilkat Pass Handel mit den Athabaska-Indianern des Landesinneren. In den Zeiten des Goldrausches gelang es einem Weissen, Jack Dalton, den Indianern dieses Geheimnis zu entlocken. Er legte 1894 einen Trail bis Fort Selkirk am Yukon kurz vor Dawson City an, d.h. alle 20 Meilen installierte er Camps (Zeltunterkünfte mit Verpflegung), und kassierte massive Strassenzölle. Die Tlingit, die er hinterging, versuchten ihn auszuschalten, indem sie die Zelte mit den Vorräten entfernten. Doch Dalton gelang es sich durchzuschlagen, indem er im kalten Winter ohne Proviant 80 km auf Schneeschuhen zurücklegte.
1943 begannen die USA mit dem Bau der heutigen Strasse als Zubringer zum Alaska Hwy. 20 Jahre benötigte man für die nicht ganz einfache Streckenführung. Sie galt stets als topographisch äusserst problematische Strasse. Noch 1970 wurde die Durchfahrt an fünf Posten kontrolliert. Kam ein Wagen nicht innerhalb einer bestimmten Zeit von einem Posten zum andern, wurde sogleich eine Rettungsequipe ausgeschickt.
Kurz vor Haines überqueren wir die Grenze zu Alaska - und es beginnt wieder zu regnen. Das Thermometer steigt nicht über 11°C.

HAINES
An einem Abend fahren wir der Bucht entlang zum Chilkoot Lake. Während zwei Stunden warten wir am Fluss, der aus dem See fliesst, um den Grizzly zu beobachten, der sich jeweils am Abend am Ufer zeigt. Doch heute lässt er sich nicht blicken. Es hat recht viele Leute, die mit Bussen heranchauffiert werden. Ein Grossteil davon sind wohl Passagiere des Kreuzfahrtschiffes, das in Haines ankert. Plötzlich sehen wir einen Wolf für ein paar Sekunden. Nach einer Viertelstunde zeigt er sich wiederum. Das spricht sich herum, und prompt umstehen uns etwa 20 Leute. Weil diese schwatzen, zeigt sich der Wolf nicht mehr! Doch kaum sind die Leute verschwunden, können wir längere Zeit sogar zwei Wölfe, die zu uns herüberschauen, beobachten und filmen.

SKAGWAY
Skagway ist wohl das wichtigste Zeugnis des Klondike Goldrush. Hier legten die Dampfer von Seattle an, und die 30'000 Stampeders machten sich daran, von der Pazifikküste aus das 800 Meilen entferne Dawson City zu erreichen. Im Winter 1898/99 versuchte jeder, sein gesamtes von den kanadischen Behörden gefordertes und kontrolliertes Material (rund eine Tonne) den steilen Weg über den Gletscher (Chilkoot Pass) an den Benett Lake hinüber zu schaffen, wozu er den Pass 20 - 40 Mal überqueren musste (s. Blog vom 11.7.). Der Friedhof, auf dem vor allem Leute unter 45 Jahren begraben liegen, zeugt von den klimatisch und hygienisch problematischen Lebensbedingungen. Innerhalb eines Jahres wurde der gesamte Wald in der Gegend von Skagway und am Bennet Lake gerodet. Am Bennet Lake bauten sich die Stampeders für die Weiterfahrt auf dem Wasserweg Schiffe.
Vier Kreuzfahrtschiffe haben im Hafen angelegt, daher tummeln sich über 1000 Touristen im Städtchen. Auch die White Pass Railway setzt offenbar alle verfügbaren Loks und Wagen ein.
Auch wir machen die Bahnfahrt, allerdings erst gegen Abend. Wir haben Glück: Es regnet nicht und wir geniessen die Fahrt mit Sicht auf den Lynn Canal und die Berge. Es wird heller. Tatsächlich, es gibt sie noch, die Sonne!
Auf einer Brücke muss der Zug abbremsen. Zwei Bären benutzen sie ebenfalls zum Überqueren der Schlucht. Irgendwie haben sie das Gefühl, dass unser Zug mit seinen drei Loks und 13 Wagen stärker ist als sie, und schlagen sich auf der anderen Seite sofort in die Büsche.


SKAGWAY - PRINCE RUPERT (nördlicher Teil der Inside Passage)
Unseren ursprünglichen Reiseplan hatten wir schon Ende Mai (vor Beginn des Regensommers!!!) geändert: Statt von Skagway wieder nach Whitehorse zu fahren, dann auf dem Cassiar Highway zum Yellowhead Hwy zu gelangen, haben wir per Internet die Inside Passage über Juneau (drei Nächte Aufenthalt) nach Prince Rupert (Kanada) gebucht. Wir ersparen uns 1000 Meilen Autofahrt und hoffen auf eine traumhafte Fahrt durch Fjorde, an Gletschern und Berggipfeln vorbei, auf das Beobachten von Walen, auf Wanderungen usw.

JUNEAU
Ankunft um 20 Uhr mit der Alaska Schnellfähre Fairweather (ironischer Name!). Sie fuhr beachtliche 38 Knoten (fast 70 km/Std.)!
Bei der Ankunft regnet es in Strömen. Wir fragen: Does it always rain here? Und man antwortet: No, sometimes it snows! Dass der Herbst begonnen habe, ist für uns ein schwacher Trost. In einer Broschüre lesen wir, dass es in Juneau pro Jahr 250 cm Regen und 250 cm Schnee gibt. Skagway soll mit 60/100 cm trockener als Zürich sein. Als kleiner Trost: An der Küste in Little Port Walter regnet es 550 cm und schneit es 300 cm. Für uns ein Grund, nicht dorthin zu fahren. Gleichzeitig sehen wir im Internet, dass es auch in der Schweiz regnet und kalt ist. Im Süden Kanadas, im Okanagan Valley, hingegen ist es 31° warm. In zweieinhalb Wochen sind wir dort und hoffen, dass wir dann noch einen Rest dieser Wärme geniessen können.
Juneau ist die Hauptstadt Alaskas. Es zählt nur etwa 30'000 Einwohner, liegt an einem schmalen Küstenstreifen, dem eine etwa 30 Meilen lange Strasse entlang führt. Zum Hinterland gibt es keine Strassenverbindung. Es ist also nur mit Flugzeug oder Schiff erreichbar. Der Flughafen ist 15 km von der Downtown entfernt. Er hat zwei Pisten: eine etwa 2 km lange für konventionelle Flugzeuge und parallel dazu einen See für Wasserflugzeuge. Der Fährhafen liegt weitere 5 km entfernt. Hingegen gibt es einen grossen Passagierhafen in der Downtown. Am Sonntag ankern vier grosse Kreuzfahrtschiffe. Entsprechend dicht ist das Städtchen von kaufwütigen Touristen aus aller Welt bevölkert.
Eigentlich hat Juneau sehr viel zu bieten, und wir hatten die Absicht, ein paar schöne Wanderungen zu Gletschern und auf Aussichtsberge zu machen. Das Hinterland ist ein riesiges Eisfeld, aus dem Berggipfel wie Inseln herausragen. Stattdessen fahren wir an den Gletschersee (er liegt auf 30 m Höhe am Rande der Stadt), in den sich der Mendelhallgletscher (20 km lang und 2.5 km breit), der von diesem Eismeer herkommt, schiebt. Ein imposanter Anblick, wenn auch nur durch einen Regenschleier hindurch. Wir beobachten auch ganze Schwärme von Lachsen beim Laichen, eine anstrengende Arbeit für die Weibchen wie für die Männchen. Letztere müssen sich dauernd gegen Konkurrenten wehren, indem sie diese sogar in den Schwanz beissen. Neben dem Bachbett hat ein Bär die Resten seiner Mahlzeiten liegen gelassen. Von den Lachsen frisst er nur noch das Hirn und die Eier, erklärt uns ein Ranger. Der Rest sei praktisch ungeniessbar, da die Lachse seit dem Verlassen des Ozeans nichts mehr fressen und ihr Fleisch zäh wird.
Auch wir geniessen unseren letzten Tag in Alaska mit einem leckeren Lachsessen, von dem wir alles aufessen, weil der Lachs beim Fang natürlich noch jung war.
Morgen früh um 6.15 warten wir am Hafen auf unser Schiff, das uns in 28 Stunden Fahrt nach Prince Rupert führt, wo es gegenwärtig ebenfalls regnet!

Thursday, August 03, 2006

Von Anchorage nach Valdez



Warum haben Elche kein Kopfweh, obwohl sie (die Elchstiere) ein so schweres Geweih tragen müssen/dürfen? Sie machen es wie wir: sie essen ‚Aspirin’, d.h. den in der Rinde der Weide enthaltenen Wirkstoff!

Alaska heisst in der Sprache der Aleuten Alyeska, d.h. weites Land. Das haben wir in den vergangenen dreieinhalb Wochen erleben dürfen, obwohl wir nur einen ganz kleinen Teil dieses Staates gesehen haben.

KENAI ISLAND
Von Anchorage fahren wir - zusammen mit Brigitte - am Sonntag, 23.7. bei Sonnenschein dem Turnagain Arm entlang Richtung Whittier, übernachten jedoch vor dem Tunnel auf dem Campground Williwaw. Dort erwartet uns ein wolkenbruchartiger Regenguss, der bis zu unserer Abfahrt am nächsten Vormittag anhält. Der heftige Regen hat unseren Camper gewaschen (am nächsten Abend ist er nach einer Fahrt über eine 2 km lange Baustelle wieder mit einer Schmutzschicht bedeckt). Bei unserer Kaffeepause auf dem Parkplatz des Visitor Centers am Portage Lake halten wir uns im Camper unwillkürlich am Tisch fest, als eine Sturmböe unseren Camper beinahe umwirft! Es stürmt so heftig, dass wir kaum vom Parkplatz zum Center gehen können, ohne umgeblasen zu werden. Erst später erfahren wir, dass ‚Williwaw’ in der Sprache der Aleuten ‚heftiger Wind’ bedeutet.
In Seward erleben wir zwei weitere Regentage, die wir mit einem Besuch im Alaska Sealife Center, das von Exxon für über 50 Mio $ erbaut wurde. In grossen Aquarien tummeln sich Papageientaucher, Fische aller Art und sogar Seehunde, für die das Bassin allerdings etwas klein ist. Auf einer kleinen Wanderung zum Exit Glacier beobachten wir lange Zeit eine Elchkuh, die zehn Meter vor uns wiederkäuend am Boden liegt.
Bei besserem Wetter fahren wir wieder nordwärts. Das Türkisblau des Kenai Lake lässt uns ein paar Mal zu Fotohalten hinreissen, vor allem da noch ein blauer Eisenbahnzug dem Ufer entlang fährt. Am Tern Lake beobachten wir während der Kaffeepause Seeschwalben. Die Fahrt am Kenai Lake vorbei, durch die Berge, über Pässe (die nicht einmal 200 m hoch sind!) und schliesslich westwärts dem Kenai River entlang bei Sonnenschein und Wärme tut wohl.
Auf der Fahrt nach Homer schalten wir verschiedene Fotohalte ein: am Kenai River, um die fanatischen Sportfischer, die wie Fischreiher am Flussufer stehen, zu fotografieren. Ihr Sport besteht darin, Lachse zu fangen und sie dann wieder in den Fluss zu werfen; nach unserer Meinung eine Art Tierquälerei; in Soldotna am reissenden Kenai River; bei Clam Gulch, wo wir die imposanten Vulkane der Alaska Range jenseits des Cook Inlet (Meeresarm) sehen (Redoubt Volcan 10'197 ft., Iliamna Volcan, 10'016 ft, im Meer die Augustine Island, 4025 ft, von dessen Spitze eine lange Rauchwolke nordwärts zieht). Vom 400 m hohen Höhenzug geniessen wir eine herrliche Aussicht auf Homer Spit (Spit = Landzunge), die Bucht und die gegenüberliegenden vergletscherten Berge.

In Homer Spit wählen wir als Campground zur Abwechslung die Luxusvariante: den Heritage Spit Campground, ein wunderschöner Platz, wo wir am Morgen die Bald Eagles am Strand beobachten können.
Wir spazieren dem Strand entlang und essen im ‚Spit Fire’, das uns von der Dame im Visitor Center empfohlen wurde, feinen Lachs mit Salat. Am Hole, einem künstlich angelegten grossen Wasserbecken, stehen an die Hundert Sportfischer!


Auf der Rückfahrt besichtigen wir Ninilchick, ein altes Dorf aus russischer Zeit mit einer gepflegten russisch-orthodoxen Kirche auf einem Hügel. Der Blick auf die gegenüberliegenden Vulkane ist atemberaubend. Das Dorf ist bekannt wegen der Muscheln. Wir beobachten die Leute, die bei Ebbe mit kleinen Schaufeln Rohren nach diesen Kostbarkeiten suchen. Natürlich kosten wir auch hier diese Spezialität, und sie mundet uns allen herrlich!
Bevor wir wieder auf dem Platz Williwaw eintreffen, statten wir auch der alten Goldgräbersiedlung Hope einen Besuch ab, finden aber fast keinen Parkplatz. Statt Gold geschürft werden heute Lachse gefangen: Hunderte von Lachsfischern haben wie Stechmücken dieses Dorf heimgesucht!
Am Sonntag, 30.7. fahren wir durch den 4 km langen Eisenbahntunnel nach Whittier - ein eigenartiges Gefühl, mit einem Auto auf Schienen zu fahren. Gottlob kommt uns kein Zug entgegen! Am Nachmittag lassen wir uns mit der Fähre in sechs Stunden durch den Prince William Sound nach Valdez führen, in der Meinung, es sei für Brigitte ein glänzender Abschluss ihrer Reise. Doch kaum hat das Schiff in Whittier abgelegt, verschwinden die vergletscherten Gipfel hinter Wolken, der Regen setzt ein. Wir sehen zwar ein paar Seelöwen und Seehunde, zwei spielende Fischotter sowie Eisberge, die vom 30 km entfernten Columbia Glacier heranschwimmen. Gegen neun Uhr abends erreichen wir Valdez, das wir im dichten Nebel kaum ausmachen können. Die Sonne bricht erst am Montagnachmittag wieder hervor, als wir auf der anderen Seite der Bucht Lachse beobachten.

Das Meer kocht geradezu von den Abertausenden Lachsen, die zu einer Hatchery (Lachszucht) beim Solomon Gulch strömen. Die Lachse versuchen, auf einer Fischtreppe aufwärts zu schwimmen, was wegen der starken Strömung recht schwierig ist. Gelingt es ihnen hinauf zu schwimmen, sind sie entkräftet und bereit zum Laichen, was in der Fabrik für sie freundlicherweise erledigt wird! Die im folgenden Frühling im Meer ausgesetzten jungen Lachse werden nach zwei oder drei Jahren wieder hierher, an ihren Geburtsort, kommen und dasselbe Schicksal erfahren. Draussen im Meer beobachten wir Seehunde, die Lachse fangen und sie geradezu spielerisch in die Luft werfen. Möven fliegen kreischend heran und versuchen, den erbeuteten Lachs aufzupicken.
Am nächsten Tag fliegt Brigitte wieder zurück in die Schweiz, und wir erreichen tags darauf auf dem Richardson Highway den Alaska Highway bei Delta Junction (200 km nördlich von Glennallen). Weil der Tok Highway seit dem Erdbeben von 2002 eine katastrophale Baustelle ist, haben wir den 180 km langen Umweg gewählt. Nun werden wir gleich abfahren in Richtung Beaver - Grenzübertritt nach Kanada - Haines Junction - Haines (wieder Alaska), wo wir am Dienstag eintreffen werden (s. Karte auf dem Blog vom 11.7.).


SPORTSMEN
Wir glauben jetzt endlich zu wissen, was ein richtiger ‚Sportsman’ ist. Der ‚Sportsman’ liebt die einsame Wildnis, Berge, Flüsse, Seen, wilden Tiere wie wir, doch das Motiv dieser Liebe ist verschieden. Er ist nicht zu verwechseln mit einem Sportsmann, denn von ihm unterscheidet er sich schon in seinem Aussehen: ist ein Sportsmann schlank, zeichnet sich der ‚Sportsman’ durch eine gewisse Leibesfülle aus. Er liebt nicht nur saftige Steaks, sondern kräftige, laute Motoren. Mit seinem grossen Pickup macht er abends eine kleine Rundfahrt. Wenn er geht, hinkt er leicht, weil sein rechter Fuss vom vielen Gas Geben kräftiger gewachsen ist.

Zur Ausübung seiner sportlichen Tüchtigkeit stehen ihm folgende Möglichkeiten offen:
1. Er fährt ein ATV (= All Terrain Vehicle), d.h. ein Spielzeug für Kinder gebliebene Männer, in Sanddünen, neben dem Highway auf separater Spur, Dutzende von Kilometern geradeaus, oder auf eigenem Trail quer durch den Wald. Zur Abwechslung setzt er sich gerne auf ein Wassermotorrad und saust mit aufheulendem Turbo durch einsame Waldseen. Ein herrliches Gefühl! Wenn im Winter Seen und Flüsse gefroren sind, steht ihm ein Motorschlitten zur Verfügung (snowmobile). Bereits im nördlichen Kalifornien sahen wir spezielle Wege, die ausschliesslich für diesen Wintersport gebahnt und reserviert sind.
2. Er geht auf die Jagd, meist mit Benutzung eines ATV, denn schliesslich wäre es unsportlich, Flinte und Munition selber zu tragen, und die Beute muss auch irgendwie den Weg zu seiner Hütte finden. Ein echter Alaskaner erachtet es als seine Pflicht, den Wildbestand zu regulieren. Deshalb jagt er jedes Jahr einen Elch, einen Grizzly, drei Schwarzbären, Hirsche, Wölfe, Füchse und weiteres Kleingetier, das natürlich in Fallen gefangen wird. Er sammelt und verkauft Felle, wie andere Leute ihre Briefmarken.
3. Er geht fischen. Auf einer Wanderung zu einem sogenannten Lachswasserfall am Russian River sehen wir Leute mit Stiefeln, wasserfester Kleidung und Angelrute, die uns entgegen kommen: keiner hat offenbar etwas gefangen, denn niemand trägt einen Behälter. Des Rätsels Lösung finden wir tags darauf: an den Ufern des Kenai River stehen die Leute im Wasser wie Frösche um einen Teich. Der Sport vieler Fischer besteht nun darin, den Fisch zu fangen, die Angel sorgfältig aus dem Munde zu lösen, wenn es nicht geht, sie drin lassen und die Schnur abzuschneiden, dann den Fisch wieder seinem Element zuzuführen. Deshalb wird empfohlen, keine rostfreien Angeln zu verwenden, damit diese sich allenfalls im Magen des gefangenen und wieder frei gelassenen Fisches zersetzen kann. Wir finden, diese Fischer sollten zuerst einen Test durchstehen: Man soll ihnen die Wange mit einem Haken durchbohren, ein paar Mal ruckartig daran ziehen und dann sorgfältig entfernen, und wenn man diese Prozedur ein paar Mal mit ihnen durchgeführt hat, ihnen das Fischerpatent ausstellen. Eine kleinere Anzahl Fischer behalten die Fische, weiden sie recht grosszügig aus (die weggeworfenen Reste wären für uns noch ein Leckerbissen!) und nehmen sie nach Hause. Es hat so viele Lachse, dass man sie gar nicht alle essen kann!
Trotz allem: Wir freuen uns über die Wildnis und sind jedes Mal begeistert, wenn wir ein wildes Tier beobachten können - sei es auch ‚nur’ ein Eichhörnchen - und wünschen ihm viel Glück, ein langes Leben und einen natürlichen Tod.

Doch es gibt auch harte, echt sportliche Alaskaner: Wir sehen sie in Shorts und T-shirts umhergehen, wenn wir schon in langen Unterhosen, Pullover und Windjacke frieren. Minus 15° Celsius, wenn wir uns im Engadin kaum aus dem Haus getrauen, wird hier als zu warm bezeichnet!
Jedes Jahr im März wird ein Wettkampf über 800 km veranstaltet, zu Fuss, per Velo (Breitpneus) oder Skis ausgetragen wird. Und natürlich begegnen wir immer wieder den Spuren des berühmten Iditarod Schlittenhunderennen, das in aller Welt bekannt ist. Der historische Start ist am 21. März in Seward. Heute wird offiziell in Anchorage, wegen Schneemangels an der Küste effektiv in Wassila gestartet. Ziel ist das an der Westküste Alaskas gelegene Nome.