ursundestherunterwegs

Friday, June 23, 2006

Im Tal des Fraser River


Vorerst eine kleine Berichtigung: Auf der Karte des letzten Berichts vom 18.6. ist die Fahrstrecke nicht blau, sondern grün eingetragen. Die Karte habe ich ersetzt; diese wie die weiteren Karten sollten jetzt mit Doppelklick vergrössert werden.

BEI UNSEREN VERWANDTEN
Bei unseren Verwandten, Monika und David verbringen wir in Maple Ridge, einem Vorort Vancouvers, der rund 60 km vom Stadtzentrum entfernt ist, ein geselliges Wochenende. Sie wohnen in einem hübschen Häuschen, umgeben von Bäumen und Sträuchern und Blumen, die ohne grosses Zutun wachsen. Es gibt praktisch keine Schädlinge, und man muss selten giessen. Esther ist hell begeistert, nicht zuletzt auch wegen der unglaublich vielen Beeren, die überall in der Umgebung wild wachsen. Sie wäre in ihrem Sammeleifer eine bedrohliche Konkurrenz für die Bären! Ihr verdanken wir es übrigens, dass Bären im Engadin keine Existenzgrundlage haben.
Da am Sonntag Vatertag ist und zu unserer Begrüssung, hat Monika Gäste eingeladen: die Eltern Davids, seine Geschwister Hazel und Jim mit Ehepartner, seinen Freund Ken mit Ehepartnerin, ihren Sohn Mischo mit Freundin und deren beide Kinder. David grilliert hervorragend und Monika hat schmackhafte Dips und Salate vorbereitet. Sogar Esther isst ein Steak. Wir sitzen draussen an der Sonne.
Die Nacht verbringen wir im RV auf dem Vorplatz des Hauses unter und halbwegs im Geäst eines Ahorns. Jenseits der Strasse verläuft das Gleis der CPR (Canadian Pacific Railway). Fast jede Stunde fährt ein Zug durch, d.h. jeweils ein Güterzug, gezogen von zwei 12'000 PS-Dieselloks und gestossen von einer dritten; dazwischen etwa 100 Güterwagen mit zwei Stockwerken Containern. Das Dröhnen der Loks bringt unseren RV zum Vibrieren, und die alten holprigen Güterwagen lassen ihn erbeben; wir erleben ein Erdbeben mittlerer Stärke. Für dieses gibt es allerdings eine Vorwarnung von etwa fünf Minuten. Von weitem ist nämlich ein schönes Dreiklanghorn zu hören, das sich aber derart steigert, dass wir uns bald einmal die Ohren zuhalten müssen. Das Horn er¬tönt in einer Lautstärke, die uns einen IV-verdächtigen Gehörschaden einbringt. Urs ist froh, dass er nicht mehr so gut hört. Was von Ferne nostalgisch tönt, ist in der Nähe ein Albtraum, der uns fast aus den Federn jagt. Die zweite Nacht verbringen wir daher im Haus.

DAS FRASER VALLEY UND DIE CARIBOO WAGON ROAD oder
EINE LEKTION IN GESCHICHTE
Am Montag, 19.6. schälen wir unseren RV mit Hilfe von zwei Rechen aus dem Ahornbaum und fahren weiter, zuerst auf der # 7, dann auf dem TCH 1 (Trans Canada Highway) dem Fraser River entlang in einem unwahrscheinlich breiten Flusstal mit unzähligen Seitenarmen, tiefblauen Seen, sattgrünen Wiesen, Wäldern in allen Grüntönen. Zu beiden Seiten erheben sich bewaldete Berge. In den Höhen liegt noch viel Schnee. In Yale verengt sich das Flusstal. Aus der einst boomenden Stadt der Pelzhändler und später der Goldgräber, ist heute ein unbedeutender Ort mit einem Dutzend Häusern geworden. Gerade deshalb besuchen wir das kleine Museum, das uns von einem alten, überaus freundlichen Mann gezeigt wird. Er informiert uns eingehend über die Geschichte des Ortes. Wer an Geschichte nicht interessiert ist, lese das nächste Kapitel!
Simon Fraser kam als Leiter einer 21 Mann starken Expedition als erster Weisser im Frühling 1808 unter Führung von Indianern von Norden hierher. Er suchte im Auftrag der Northwest Company einen Weg zum Pazifik. Schwer enttäuscht kehrte er, als er nicht wie erhofft auf dem Colorado River zum Pazifik gelangte, sondern eben auf diesem Fluss, dem später sein Name gegeben wurde, nach Fort George (heute Prince George) zurück.
1848 errichtete die Hudson Bay Companie (HBC) das Fort Yale als Pelzhändlerstation. Trotz der Warnungen Frasers versuchte die HBC durch den Fraser Canyon eine Verbindung zwischen dem Landesinnern und der Küste von British Columbia zu erstellen. Als immer wieder Lasttiere im Canyon umkamen, wurde das Fort Yale geschlossen.
1858 wurde unterhalb Yale an beiden Flussufern Gold gefunden. Innerhalb Wochen kamen 30'000 Goldgräber, vor allem Leute, die im Goldrausch 1849 in Kalifornien enttäuscht worden waren, hierher und machten aus Yale eine raue, boomende Stadt, die für die Briten eine echte Bedrohung darstellte.
1862-1864 wurde durch die Royal Engineers, ein Corps von Soldaten, genannt Sappers, die berühmte Cariboo Wagon Road von Yale nach Barkerville erbaut, eine Meisterleistung, die man als achtes Weltwunder bezeichnete. Sie ist über 600 km lang. Auf ihrer Spur werden wir die nächsten Tage fahren.
1880 begann die Canadian Pacific Railway (CPR) mit dem Bau der Strecke Port Moody - Kamloops. Operationsbasis des Ingenieurs Andrew Onderdonk war Yale. Mit 30'000 Arbeitern - unter ihnen 6’500 Chinesen, die zum halben Lohn arbeiten mussten - wurde innerhalb viereinhalb Jahren die Strecke mit 27 Tunnels und 600 Brücken und ‚trestles’ fertig gestellt. Es gab viele Tote, vor allem unter den Chinesen: pro Meile bezahlten drei Chinesen mit ihrem Leben.
1911-1914 erbaute dann die Canadian National Railway (CNR) auf der anderen Flussseite eine neue Linie. Beide werden heute benutzt, nach meinen Beobachtungen die linke für die Talfahrt, die rechte für die Bergfahrt.
Dann fahren wir dem Fraser River entlang und besichtigen die alte Alexandra Bridge, zu der man vom Parkplatz des TCH auf der alten Cariboo Wagon Road hinuntersteigt. Dabei müssen wir das Trassee der PCR überqueren. Tafeln warnen vor den Zügen, was nicht nötig ist. Man hört sie meilenweit zum Voraus! Die Hängebrücke wurde 1926 vom Hochwasser weggerissen und für den Fraser Canyon Highway für den Automobilverkehr neu erstellt. Seit 1962, als der TCH erbaut wurde, wird sie nicht mehr benützt.
Beim Hell’s Gate, so genannt von Simon Fraser, der hier am 26.6.1808 über Brücken und Leitern durchzog, führt eine Seilbahn ans andere Flussufer hinunter. Wir wählen die sportliche Variante und gehen die 170 Höhenmeter auf einem Fahrsträsschen hinunter und über die kleine Hängebrücke zum Restaurant hinüber, wo wir uns einen feinen, riesigen Cesarsalat mit Rauchlachs bestellen. Der Fluss ist hier gerade noch 34 m breit, aber (heute) 45 m tief! Bis zu 15 Millionen Liter Wasser fliessen pro Sekunde durch. Für die Lachse - es sollen während des Lachszuges bis 350'000 pro Tag hinauf schwimmen - wurde eine komplexe Fischtreppe gebaut, die den Fischen das Hinaufschwimmen bei jedem Wasserstand ermöglicht. Diese Massnahme war nötig gewor¬den, als ein Felssturz beim Bau der Eisenbahnlinie 1914 den Canyon verengt hatte und den Fischen den Weg zu ihren Laichgründen versperrte.
In Lytton sehen wir den Zusammenfluss des Fraser River und des Thompson River - der erste führt braunes Wasser, der andere glasklares. Beide Flüsse haben ihre Quelle in unmittelbarer Nachbarschaft in der Nähe von Jasper. Der mit 1360 km weitaus längere Fraser River fliesst von dort zuerst nach Nordwesten, dann Westen und ab Prince George nach Süden.
Die Weiterfahrt dem Thompson River entlang ist phantastisch. Das breite Band des klaren, wegen vieler kleiner Stromschnellen sprudelnden Wassers – ein Eldorado für River Rafting - wird auf beiden Seiten gesäumt von einer Bahnlinie. Wir fahren mal auf der linken, mal auf der rechten Seite. Das Klima hat sich ab Lytton stark geändert: es ist trocken und warm; in Lytton gar 26°! Die Berge tragen spärliche Föhren, die meisten davon sind krank, der Boden ist kahl, das felsige Flussufer erodiert. Um 18 Uhr sind wir vor Clinton. Der kleine, saubere private Campground Clinton Pine gefällt uns. Wir haben alles; sogar Holz für ein Campfire ist in Hülle und Fülle vorhanden! So entfachen wir am Abend ein Feuer wie am 1. August und tanken ein bisschen Wärme für die Nacht. Wir sind froh, dass wir weit weg von einer Bahnlinie sind – denken wir. Abends hören wir wieder unseren Plaggeist, die CPR; doch er ist weit entfernt!

DAS GROSSE WALDSTERBEN
Am Mittwoch erfahren wir die Ursache der kranken Föhren. Eine erst letztes Jahr am Strassenrand aufgestellte Informationstafel befasst sich mit dem Thema Föhrensterben. Der mountain pine beetle (eine Art Föhrenborkenkäfer) befiel die letzten Jahre über 7 Millionen Hektar Föhrenwald (lodgepole pine tree). Die vergangenen Winter waren zu warm, sodass 80% statt 10% der Käferlarven den Winter überlebten. Der Käfer ist zwar Teil des Ökosystems: Er befällt normalerweise alte Bäume und begünstigt so das Wachstum der jungen Triebe. Nun hat er aber auch gesunde Bäume befallen, die man frühzeitig fällen muss. Die Wiederaufforstung erfordert einen grossen Aufwand.
Übrigens sind heute noch zwei Drittel der 944'735 km2 grossen Provinz British Columbia (grösser als Frankreich und Deutschland zusammen) von Wald bedeckt; 25% davon sind Föhren.

BEI DEN GOLDWAESCHERN
Barkerville ist das nördliche Ende der Cariboo Wagon Road, so genannt nach Billy Barker, der hier 1862 auf eine ergiebige Goldader stiess, was den Cariboo Goldrush auslöste. Barkerville wurde die grösste Stadt ’westlich von Chicago und nördlich von San Francisco’. Seit zwei Tagen sahen wir am Strassenrand immer wieder Hinweise, dass diese Ghosttown das Sightseeing # one von BC ist. Also wollen wir sie besichtigen. Und wir werden nicht enttäuscht! Schon auf der Hinfahrt staunen wir über die unglaublichen Felder von Margeriten, die am Strassenrand in kräftigem Rot blühenden Indian Paint Brush und die dunkelblauen Lupinen. Eine wahre Pracht.
Barkerville selber ist ein lebendiges Museum. 130 Häuser sind wieder aufgebaut, manche davon können wir besichtigen und erfahren so manches über die Lebensweise der damaligen Zeit. Wir nehmen teil an einer Schulstunde, schauen dem Schmied bei der Arbeit zu, sehen eine Hausfrau auf dem alten Holzofen kochen, hören eine Frau sich über die überrissenen Lebensmittelpreise beklagen usw. Auf einer Wanderung durch die Umgebung finden wir glücklicherweise einen Goldklumpen. Auf diese Weise zu ungeahntem Reichtum gekommen, ändern wir unseren Reiseplan: wir werden auf der Rückkehr von Alaska ab Skagway mit dem Schiff den schöneren, nördlichen Teil der Inside Passage befahren und werden uns dann überlegen, ob wir mit dem Erlös des Goldklumpens uns nicht doch ein schönes Blockhaus im Norden von BC kaufen wollen. Auf jeden Fall werden wir die Leser auf dem Laufenden halten.

Sunday, June 18, 2006

Vancouver Island

Endlich ist es so weit: Wir sind in Vancouver bei unserer Cousine und haben bei ihr Zugang zum Internet, sodass wir wieder von unserer Reise berichten können.

Erste Eindrücke von Kanada

In Washington fuhren wir statt auf der Interstate 5 über Seattle auf der landschaftlich reizvollen #101 der Ostseite des Oympic National Parks entlang, setzten mit der Fähre von Townsend nach Keystone und dann von Anacortes nach Sidney (Vancouver Island) über. (Auf der Karte nebenan sind die Fahrtroute diesmal blau, die Fährstrecke gelb eingezeichnet. Mit Doppelklick kann sie vergrössert werden.) Eine Woche verbrachten wir auf der Westküste der Insel (Pazific Rim National Park) im Regenwald, der seinem Namen alle Ehre machte: Manchmal etwas Sonnenschein, vor allem am Morgen, aber dann Regen und nochmals Regen. Muss ja schliesslich sein, wenn das Jahressoll von 400 cm Niederschlag erfüllt werden muss. Die Scheiben laufen an und wir heizen, nicht weil es kühl ist, sondern um die Feuchtigkeit zu vertreiben.
Nun sehnen wir uns ein bisschen zurück nach der Sonne und der Wärme des Südens, den zuvorkommenden und vorsichtig fahrenden Oregonern - unsere lieben kanadischen Freunde mögen uns diese Bemerkung verzeihen - , den durchwegs hervorragenden Informationen, den kompetenten und bereitwilligen Auskünften, der peinlichen Sauberkeit und Ruhe auf den Campgrounds usw. Unser Budget müssen wir revidieren: Campgrounds und Lebensmittel, Post und Telefon sind teurer, Benzin über 30% als in den USA. Dass das Sommerwetter noch nicht eingetroffen ist, dafür geben wir den Kanadiern allerdings keine Schuld, und alle uns bekannten und befreundeten Kanadier sind uns so lieb wie die Oregoner! Und wir sind uns sicher, dass wir bis zu unserer Ankunft in Alaska unsere ersten Eindrücke von Kanada noch zu revidieren haben. Ein erster positiver Eindruck: Es gibt hier Bauernmärkte, auf denen wir frisches Gemüse und Salat von hervorragender Qualität und zu erstaunlich günstigen Preisen kaufen können. Ferner gibt es hier Telefone mit display, auf denen wir – wenn wir mal telefonieren – unsere über 35 Ziffern, die wir mit der prepaycard anwählen müssen, sehen und kontrollieren können. Weiteres folgt hoffentlich.


Schnecken, Adler, Dinosaurier und Wale

Den bis 20 cm langen und 120 g schweren gelben Schnecken, den banana slugs, begegnen wir im Regenwald auf Vancouver Island auf Schritt und Tritt. Auch Bald Eagles, das Wappentier der USA, können wir beobachten, einmal aus nächster Nähe ein Prachtsexemplar, das auf der Wiese neben der Strasse seine Beute verschlingt. Da wir uns verfahren haben und auf der Strasse kein Verkehr ist, können wir anhalten und in aller Ruhe beobachten.

Schön ist die Erklärung, die der Häuptling des an der Pazifikküste von Vancouver Island ansässigen Stammes des Nuu-chah-nulth-aht (Volk entlang der Berge), Mamie Charleson, gab, weshalb Schnecken schlecht und Adler gut sehen: „A long time ago eagle could not see so well. Eagle went to snail and asked if he could borrow snail’s eyes for a few minutes to see what it was like to see so well. Snail let eagle borrow his eyes but eagle never gave snail his eyes back. That is why to this day snails are blind and eagles have sharp eyes.“

Die gesamte Vegetation ist dichter und kräftiger. Bei den hohen Farnen, den Riesenblättern des Skunk Cabbage (Lysichitum americanum) und den mit Flechten und Moos wie mit Vorhängen eingehüllten Riesenbäumen fühlen wir uns in die Jurazeit versetzt. Es würde uns gar nicht wundern, wenn auf unseren Wanderungen durch den Regenwald statt eines Bären zwischen Bäumen, Gebüschen und Farnen plötzlich ein Dinosaurier erschiene. Die kurzen Wanderwege sind übrigens hervorragend: es geht kilometerweit treppauf, treppab, über Holzstege und Brücken. Informationstafeln geben uns immer wieder wichtige Hinweise und vermitteln uns Kenntnisse, sodass wir uns hier bald heimisch fühlen. Und auch an den Regen, der uns täglich zu Ruhepausen zwischen den Wanderungen zwingt, haben wir uns schon fast gewöhnt. Schliesslich können wir in aller Ruhe und Wärme in unserem RV Kaffee oder Tee trinken und lesen.
Uns beeindruckt immer wieder die schöne Western Red Cedar (Thuja plicata) aus der Familie der Cupressaceae mit ihrem rötlichen Holz, vor allem weil dieser den Indianern in vieler Hinsicht nützlich war. Eine schöne Legende veranschaulicht dies: „There was a real good man who was always helping others. Whenever they needed, he gave; when they wanted, he gave them food and clothing. When the great Spirit saw this, he said, ‚That man has done his work; when he dies and where he is buried, a cedar tree will grow and be useful to the people – the roots for baskets, the bark for clothing, the wood for shelter’.“

An der Wickaninnish Beach am Rim Pazific Park sehen wir uns das Visitor Center an, das sich vor allem der Kultur des Nuu-chah-nulth-aht und vor allem ihrer Walfangmethode widmet. Ihr bedeutender Führer hiess Wickaninnish. Die Ausstellung ist sehr informativ. Die Wale wurden von langen Booten (Einbaum aus Zedernholz) aus gefangen. Das ausgestellte Boot wurde von Kwiisthu, einem 98jährigen Häuptling, hergestellt. Am Seil einer Harpune wurden vier Ballone aus Seehundfell befestigt, die dem harpunierten Wal das Abtauchen erschwerten und ihn ermüdeten. Mit einer langen Holzklinge wurden ihm zuerst die Sehnen bis zur Schwanzflosse durchtrennt um ihn zu lähmen, und dann mit einem gezielten Stoss eine Eisenklinge unter der linken Seitenflosse direkt ins Herz gestossen. Diese Methode wurde bis ins 20. Jahrhundert angewendet. Heute leben diese Indianer in schönen Holzhäusern am Meer. Boote sehen wir keine mehr. Statt Wale fangen sie jetzt vermutlich Touristen. Das dürfte einfacher und einträglicher sein.

Heute Sonntag ist in Kanada Vatertag. Zu diesem Anlass hat unsere Cousine Monika mit ihrem Mann David am Vorabend für Verwandte und Bekannte – und natürlich auch zu unserer Begrüssung - ein grossartiges Barbecue veranstaltet.
Morgen Montag geht die Fahrt nordwärts. Wir fahren auf ziemlich direktem Weg über Prince George, Fort St. John, Watson Lake Whitehorse, Dawson City, Tok nach Fairbanks, das wir nach 4'000 km Fahrt in gut drei Wochen erreichen werden. Wir hoffen, dass wir auch auf dieser einsamen Strecke einmal Internetzugang finden.

Wednesday, June 07, 2006

Von Oregon nach Washington


Nun sind wir bereits 5000 Meilen (8000 km; s. Karte) mit dem RV unterwegs und haben schon viele Eindrücke von Land und Leuten gewonnen. Wie stark der Patriotismus ist, zeigte sich am Memorial Day (29.5.) war alles beflaggt, Häuser, Gärten, Boote, Velos, Rucksäcke, Strassenränder im Wald, und natürlich die Autos. Wir fühlten uns wie in der Schweiz am 1. August. Doch an kritischen Stimmen fehlt es auch hier nicht, sahen wir doch irgendwo in Oregon an der Heckscheibe eines vorausfahrenden PW den Kleber:
Somewhere in Texas is a village missing an idiot.

An der Mündung des Columbia River
Die Fahrt der Küste entlang nordwärts nimmt an der Mündung des Columbia River ein Ende. Hier hat der Staat Oregon mehrere Parks eingerichtet, die an die Expedition von Lewis und Clark 1804-1806 erinnert. Diese waren im Auftrag des Präsidenten Jefferson, kurz nachdem die Unites States von Frankreich Louisiana (das damals ein Gebiet bis nach Kanada hinein umfasste) gekauft hatte, losgezogen, um über den Oberlauf des Missouri an den Pazifik zu gelangen – ungefähr das, was wir beide jetzt auf der Südroute machen, nur dass wir ein bisschen schneller sind!
An der Mündung des Flusses ist das Fort Stevens zu besichtigen: Befestigungsanlagen aus der Zeit des Bürgerkrieges, des Spanisch-Amerikanischen Krieges, des 1. und 2. Weltkrieges. Hier erfahren wir auch, dass die Japaner am 21.6.1942 mit U-Booten einen Angriff gegen dieses Bollwerk starteten uns auch mehrere Hundert Papierballone (sic!) mit Brandbomben in Japan hochsteigen liessen, die dann vom Wind getrieben innerhalb weniger Tage über ganz Nordamerika niedergingen und Flächenbrände auslösen sollten.

Mücken
Am Columbia River ist es feucht (im Bild ein Nebenarm: der Lewis and Clark River). Das haben schon Lewis und Clark und ihre Expeditions¬mitglieder im Winter1805/06 erfahren müssen: ihre Kleider verschimmelten, sie selber auch fast. Dieses Jahr hat es geregnet wie kaum seit Menschengedenken. Wir werden gleich beim Eintreffen im Campground vor Mücken gewarnt. Esther ist peinlich darauf bedacht, Türen und Fenster stets geschlossen zu halten und beim Ein- und Aussteigen den Mücken das Eindringen zu verwehren. Diese Mücken greifen schliesslich doch immer nur sie an; ich sei dank ihr gefeit. Ich bin jedoch der Meinung, die amerikanischen Mücken seien emanzipiert und machen sich auch an Männer ran. Am Morgen dann tatsächlich das Resultat: Esther hat keinen einzigen Stich abbekommen, ich hingegen mehrere am Fussgelenk. Irgendwie habe ich doch eine besondere Anziehungskraft auf weibliche Wesen. Doch meine Therapie: Attacken von weiblichen Wesen (und seien es nur Mücken) einfach ignorieren, sich nichts anmerken lassen, wenn man angegriffen wurde und auch nicht kratzen, selbst wenn es juckt! Tagsüber sind wir vermummte Gestalten vor Mücken bestens geschützt (s. Bild). Vor diesem Anblick fürchten sich selbst die Mücken.


Pfingstsonntag
Es hat die ganze Nacht in Strömen geregnet. Die schweren Regentropfen prasselten aufs Dach des Campers und liessen uns während der Nacht immer aufwachen. Ich träumte von irgendeinem Krieg und Maschinengewehrsalven.
Jetzt am Morgen lässt der Regen allmählich nach, und die Asphaltsträsschen werden trocken. Draussen fahren auf Kindervelos und Trottinett erneut Kinder vorbei, alle wieder mit Helm und wie immer im Pyjama, doch diesmal mit gelber Regenjacke.
Während der Weiterfahrt dem Südufer des Columbia River entlang hellt es auf und im Staat Washington im Seaquest State Park am Silver Lake, 70 km westlich des Mount St. Helens, scheint gar wieder die Sonne.

Mount St. Helens
Auf unserer Reise durch den Südwesten Kanadas und den Nordwesten der USA 1999 hatten wir den Mount St. Helens von der Ostseite aus besichtigt und waren fasziniert gewesen von der Vegetation, die sich nach der Katastrophe vom 18.5.1980 langsam aber sicher erholt. Damals stürzte wegen eines Erdbeben die Bergspitze ins Tal. Der Vulkanschlot wurde freigelegt und in einer gewaltigen Druckwelle fegten Gesteinsfragmente, Gas und Wasserdampf in einem Umkreis von 15 Meilen alles hinweg. Die gesamte Flora und Fauna, die nicht unter einer schützenden Schneedecke lag, wurde zerstört.
Nun fahren wir von Westen her auf einer neuen Strasse über imposante Brücken und wandern so nahe an den Berg heran wie wir können. Das Ausmass der Verwüstung wird uns auch hier deutlich gemacht. Dabei war das Auswurfvolumen ‚bloss’ 1 Kubikkilometer Material – der Vesuv hatte 69 n. Chr. 4 km3 ausgeworfen, ein um 4500 v. Chr. ausgebrochener Vulkan, ich glaube er heisst Manzana, gar 150! Allzu gerne wäre Esther bis zum Spirit Lake gegangen, um die Baumstämme zu zählen, die immer noch im See liegen. 1999 waren es ein paar Tausend gewesen! Doch der Weg ist zu weit, und uns interessieren auch die guten Informationen, die uns die verschiedenen Visitor Centers des National Monuments bieten. Zudem kann man sich mit der Zeit leicht verschätzen: für Wanderungen gibt es meist keine Zeitangaben, sondern nur horizontale Distanzangaben in Meilen. In der näheren Umgebung wird alles der Natur überlassen: Tannen beginnen zu spriessen, Erlen und Weiden blühen, allerlei Blumen, vor allem die roten Indian Paintbrush (s. Bild) und blauen Lupinen beleben mit ihren Farben die noch karge Landschaft. Sogar Walderdbeeren blühen wieder.
Die zerstörten 607 Quadratkilometer forstwirtschaftlich genutzten Wälder sind jedoch inzwischen mehrheitlich wieder aufgeforstet worden. Seit Tagen fahren wir durch Wälder, die intensiv bewirtschaftet werden, vor allem in Oregon und hier im Staat Washington. Die hügeligen Wälder werden in kleinen Sektoren kahl geschlagen. Sie sehen aus wie Schafe, die nur stellenweise geschoren sind. Dann wird wieder – nach wissenschaftlichen Methoden – angepflanzt. Nach rund 35-40 Jahren Wachstum werden die Baumstämme gefällt. Dauernd begegnen wir auf den Strassen überlangen Lastwagen mit Holzstämmen. Wir fahren an Industrieanlagen vorbei, sehen Berge von Holzschnitzeln, denen wir dann wieder in Parkanlagen und auf Waldwegen bewegen. Es wird alles verwendet. Auch die Häuser werden mehrheitlich aus Holz gebaut: ein Gerüst aus Holzlatten, in das Spanplatten eingepasst werden. Die Häuser erinnern uns ein wenig an die Kartonhäuschen, die wir als Kinder gebastelt haben.

Auf der #101 fahren wir am Ostrand des Olympic NP am Ufer der Bucht von Seattle entlang. Diese Route finden wir schöner als die Interstate 5 über Tacoma-Seattle. Am Fuss der höchsten Gipfel dieses Gebirges, welche das ganze Jahr von Eis und Schnee bedeckt sind, auch wenn der höchste von ihnen, der Mount Olympus, nicht einmal eine Höhe von 2500 m erreicht, übernachten wir. Am Ufer des Kanals, der das Festland von der Halbinsel trennt, beobachten wir Wasservögel, u.a. Regenpfeifer (Killdeer, Fam. Charadriidae) und Seehunde, die ihre Köpfe aus dem Wasser hervorstrecken, um sich orientieren zu können, und im Wasser herumtollen wie eben junge Hunde. Die Stimmung ist wunderbar, vor allem weil die Sonne am klaren Himmel über dem tiefblauen Meer warmt scheint und wir wieder kurze Kleider tragen können. Wir pflücken zum ersten Mal wilde Beeren. Esther ist ganz in ihrem Element! Es sind die orangefarbenen Salmon Berries. Die Indianer haben erst Lachs (salmon) gefangen, wenn diese reif waren; daher der Name. Da wir am folgenden Morgen immer noch am Leben sind, wissen wir, dass sie ungiftig sind.

Am Freitag werden wir die USA verlassen. Wir fahren mit der Fähre von Anacortes (im Norden Washingtons) an vielen Inseln vorbei nach Vancouver Island. Das nächste Mal werden wir einen Kartenausschnitt unserer letzten Etappe beilegen.

Thursday, June 01, 2006

Regen und Sonnenschein

Im Regenwald
Fünf Wochen Trockenheit und Wärme oder sogar Hitze, nun zwei Wochen Feuchtigkeit – ein annehmbarer Ausgleich.
Die Fahrt der Küste entlang nordwärts auf der #101 durch die üppige Vegetation ist faszinie¬rend; das verdankt sie der Feuchtigkeit und den ausgeglichenen Temperaturen. Die Wanderungen durch die Redwood-Wälder erfordert allerdings ein gutes timing: zwischen zwei Regengüssen, gut geschützt mit Regenjacke und Regenhose durchstreifen wir den Wald. Hier sehen wir nun alte hohe Redwood-Stämme. 3% des Bestandes erreicht ein Alter von über 2000 Jahren. Alles ist üppig: Farn am Boden, den wir kaum sehen können, Sträucher und Bäume, die aus den logs (umgestürzte Baumstämme) heraus wachsen. Ältere Bäume, v.a. Laubbäume, sind mit Flechten bedeckt (curtain trees). Wir sehen auch den Kalifornischen Lorbeerbaum, den Wine Maple (Reben¬ahorn). Wo die Sonne stärker durchdringt, wachsen wilde Rhododendren – eine wahre Farbenpracht. Die Pfade erinnern mich ein wenig an den West Coast Trail auf Vancouver Island, den ich vor vier Jahren mit Urs Bamert begangen hatte. Doch hier haben wir keinen 25-kg Rucksack zu tragen, und die Wege sind eigentlich trocken und beinahe rollstuhlgängig. Das Sonnenlicht bricht durch die hohen Stämme herein und beleuchtet die mit Moos bewachsenen Stämme. Ein Bächlein fliesst ruhig dahin; das Bachbett ist rostrot gefärbt vom Tannin der Redwood-Bäume. Nur das Pfeifen eines Vogels ist zu hören. Es beginnt wieder zu regnen. Im Wald bleiben wir unter dem dichten Nadeldach vom Regen fast völlig verschont. Auch noch Stunden später ist der Boden unter einzelnen kräftigen Bäumen absolut trocken!

Im Camper lässt sich der Regen leicht ertragen. Wir sehen ein junges Paar, das im strömenden Regen joggt, jedes mit einer Wasserflasche in der Hand. Offenbar macht Joggen bei Regen durstig!? Wir denken auch an die zahlreichen Leute, die nun mit nassen Kleidern in den feuchten Zelten sitzen und auf ihr beliebtes camp fire verzichten müssen. Das ist hart; ist doch das camp fire für zeltende Amerikaner der Lebensinhalt – ein Relikt aus der Pionierzeit. Es darf in dazu vorgesehenen Feuerstellen praktisch immer Feuer angefacht werden. Selbst bei hoher Waldbrandgefahr, wenn bei uns schon höchste Alarmstufe angezeigt ist und die Feuerwehr Schlauch bei Fuss steht, darf immer noch gezeuselt werden, allerdings nur mit Holzkohle. Vielleicht gibt es im ‚Land der unbegrenzten Möglichkeiten’ bald ein Feuer, das nicht brennt, aber raucht und stinkt!

Sonnenschein
Bis in den Abend hinein hat es heftig geregnet, am Morgen aber scheint die Sonne. In unserer Nachbarschaft ist am Abend während des Regens ein eigentliches Zeltlager entstanden: etwa fünf Autos, ebenso viele Zelte und Unterstände, sodass bei uns bezüglich Nachtruhe bereits Zweifel aufkommen. Doch die Leute mit Kindern jeglichen Alters benehmen sich sehr gesittet. Sie entschuldigen sich, wenn ihr Rugbyball auf unseren RV fällt, grüssen aus einer Distanz von 20 m, sobald wir unsere Tür öffnen. Während des Morgenessens beobachten wir durchs Fenster die kleinen Kinder auf dem Asphaltsträsschen: ein kleines Mädchen im Pyjama führt einen kleinen Hund spazieren – nein, es springt und hüpft mit ihm umher. Ein weiteres, natürlich mit Helm, fährt auf seinem Kindervelo, ein anderes, ebenfalls mit grossem Helm, der seine Sicht fast verdeckt, auf dem Trottinett. Alle noch im Pyjama. Eine Dame geht, diese allerdings nicht im Pyjama, aber mit ihrem Necessaire in der einen, dem mug (eine grosse Isoliertasse) in der anderen in den restroom (=WC/Dusche). Kein Erwachsener ist zu sehen ohne mug. Drin soll sich eine Brühe befinden, die man hierzulande coffee nennt. Was ebenfalls zum american way of life gehört: beim Zelten trägt man eine Baseball-Mütze und Shorts, ob es warm ist oder kalt, die Sonne scheint oder Regen fällt; selbst wenn die Beine vor Kälte rot angelaufen sind.

Mit dem Sonntag beginnt nach einer Woche Regen eine sonnige Periode.

Spaziergänge am Strand
Das Hinterland Nordkaliforniens besteht vor allem aus sandigem Boden, auf dem sich die Vegetation ausbreiten kann.
Wir unternehmen eine dreistündige Wanderung. Der gute Weg, der für Fahrzeuge fahrbar ist, zieht sich flach zwischen zwei ponds (Teiche) dahin. Wir bedauern, dass wir keine bikes bei uns haben! Der Boden ist sandig, aber vollständig von Gräsern bewachsen. Dazwischen breiten sich Pinienwälder oder vereinzelte Baumgruppen aus. In den Teichen tummeln sich Wasservögel. Die Sonne scheint immer wärmer, der Himmel ist blau; nur in den Bergen sammeln sich die dunklen Regenwolken.Unterwegs treten wir fast auf eine ca. 50 cm lange Schlange – schon wieder! Sie stellt sich tot und lässt sich bestens aus der Nähe fotogra¬fieren. Sie scheint ungiftig zu sein und ist, wie wir nachher feststellen, eine der vielen Arten von Garter Schlangen. Wir sehen manche Vögel, immer wieder Zaun¬könige, En¬ten, Gänse, einen Habicht. Der Duck Pond ist bedeckt von Seerosen, deren grosse kugelige Blü¬ten gelb leuchten (Indian Pond Lily).


Oregon
Am Montag, 29. Mai, überqueren wir auf dem Highway #101 die Grenze nach Oregon.
Hier finden wir in Brookings ein ausgezeichnetes Visitor Center. Wir werden überhäuft mit Karten und Prospekten, als ob wir zwei Monate hier bleiben wollten. Für unsere Rückfahrt durch die Berge im September haben wir nun auch schon alles nötige Material. Die Weiter¬fahrt ist phantastisch: felsige Küsten, links im Meer herausragende Klippen, rechts grüne Wälder. Immer wieder fahren wir an tiefblauen Seen vorbei und über breite Flüsse, die weit vom Gebirge her kommen. Die Fahrdisziplin ist untadelig. Oregon gefällt uns auf Anhieb!

Wir übernachten in einem parkähnlichen Wald. Ein schöner Fussweg führt uns über eine Sanddüne an den Strand, dem wir nordwärts fol¬gen. Der Strand ist sauber, der Sand feinkörnig und dunkel. Bis zu 12 m lange Algenschläuche liegen am Strand. Ein Seehund streckt seinen Kopf aus den Wel¬lenbergen hervor und guckt neu¬gierig umher, als ob er uns ent¬deckt hätte. Ein Fischer fängt Fische und wirft sie dann wieder ins Wasser zurück: ein ‚sportliches’ Freizeitvergnügen. Die Spät¬nach¬mittags¬stimmung ist sehr schön, die Son¬ne scheint warm, die Luft ist kühl wie das Wasser auch.

Die nächsten beiden Nächte verbringen wir in einem Pinienwald am Nordende der Oregon Sand Dunes. Der Boden ist mehrere Meilen ins Landesinnere hinein sandig. Darauf wachsen Gräser, kräftig blühender Ginster, Rhododendren in allen Rottönen, Beeren und Pinien. Barfuss geht es die 50 Meter hohen Sanddünen hinauf und hinunter. Wir entdecken sogar Erdbeeren! An schattigen Uferwegen können wir im Park Seen mit tiefblauem Wasser entlang gehen.


Nachtrag zum Sequoia NP:
Soeben habe ich in meinem Powerbook im Dictionary des Dashboards gelesen, dass die Giant Sequoia, der Mammutbaum des Kalifornischen Nationalparks (s. blog vom 20.5.), nach einem indianischem Gelehrten aus dem Stamm der Cherokee, Sogwali, bekannt als George Guess oder Giss, ca. 1770-1843, genannt wird. Dieser erfand ein syllabisches Schriftsystem, das er Tausenden von Cherokee Indianern beigebracht hat.