ursundestherunterwegs

Friday, June 23, 2006

Im Tal des Fraser River


Vorerst eine kleine Berichtigung: Auf der Karte des letzten Berichts vom 18.6. ist die Fahrstrecke nicht blau, sondern grün eingetragen. Die Karte habe ich ersetzt; diese wie die weiteren Karten sollten jetzt mit Doppelklick vergrössert werden.

BEI UNSEREN VERWANDTEN
Bei unseren Verwandten, Monika und David verbringen wir in Maple Ridge, einem Vorort Vancouvers, der rund 60 km vom Stadtzentrum entfernt ist, ein geselliges Wochenende. Sie wohnen in einem hübschen Häuschen, umgeben von Bäumen und Sträuchern und Blumen, die ohne grosses Zutun wachsen. Es gibt praktisch keine Schädlinge, und man muss selten giessen. Esther ist hell begeistert, nicht zuletzt auch wegen der unglaublich vielen Beeren, die überall in der Umgebung wild wachsen. Sie wäre in ihrem Sammeleifer eine bedrohliche Konkurrenz für die Bären! Ihr verdanken wir es übrigens, dass Bären im Engadin keine Existenzgrundlage haben.
Da am Sonntag Vatertag ist und zu unserer Begrüssung, hat Monika Gäste eingeladen: die Eltern Davids, seine Geschwister Hazel und Jim mit Ehepartner, seinen Freund Ken mit Ehepartnerin, ihren Sohn Mischo mit Freundin und deren beide Kinder. David grilliert hervorragend und Monika hat schmackhafte Dips und Salate vorbereitet. Sogar Esther isst ein Steak. Wir sitzen draussen an der Sonne.
Die Nacht verbringen wir im RV auf dem Vorplatz des Hauses unter und halbwegs im Geäst eines Ahorns. Jenseits der Strasse verläuft das Gleis der CPR (Canadian Pacific Railway). Fast jede Stunde fährt ein Zug durch, d.h. jeweils ein Güterzug, gezogen von zwei 12'000 PS-Dieselloks und gestossen von einer dritten; dazwischen etwa 100 Güterwagen mit zwei Stockwerken Containern. Das Dröhnen der Loks bringt unseren RV zum Vibrieren, und die alten holprigen Güterwagen lassen ihn erbeben; wir erleben ein Erdbeben mittlerer Stärke. Für dieses gibt es allerdings eine Vorwarnung von etwa fünf Minuten. Von weitem ist nämlich ein schönes Dreiklanghorn zu hören, das sich aber derart steigert, dass wir uns bald einmal die Ohren zuhalten müssen. Das Horn er¬tönt in einer Lautstärke, die uns einen IV-verdächtigen Gehörschaden einbringt. Urs ist froh, dass er nicht mehr so gut hört. Was von Ferne nostalgisch tönt, ist in der Nähe ein Albtraum, der uns fast aus den Federn jagt. Die zweite Nacht verbringen wir daher im Haus.

DAS FRASER VALLEY UND DIE CARIBOO WAGON ROAD oder
EINE LEKTION IN GESCHICHTE
Am Montag, 19.6. schälen wir unseren RV mit Hilfe von zwei Rechen aus dem Ahornbaum und fahren weiter, zuerst auf der # 7, dann auf dem TCH 1 (Trans Canada Highway) dem Fraser River entlang in einem unwahrscheinlich breiten Flusstal mit unzähligen Seitenarmen, tiefblauen Seen, sattgrünen Wiesen, Wäldern in allen Grüntönen. Zu beiden Seiten erheben sich bewaldete Berge. In den Höhen liegt noch viel Schnee. In Yale verengt sich das Flusstal. Aus der einst boomenden Stadt der Pelzhändler und später der Goldgräber, ist heute ein unbedeutender Ort mit einem Dutzend Häusern geworden. Gerade deshalb besuchen wir das kleine Museum, das uns von einem alten, überaus freundlichen Mann gezeigt wird. Er informiert uns eingehend über die Geschichte des Ortes. Wer an Geschichte nicht interessiert ist, lese das nächste Kapitel!
Simon Fraser kam als Leiter einer 21 Mann starken Expedition als erster Weisser im Frühling 1808 unter Führung von Indianern von Norden hierher. Er suchte im Auftrag der Northwest Company einen Weg zum Pazifik. Schwer enttäuscht kehrte er, als er nicht wie erhofft auf dem Colorado River zum Pazifik gelangte, sondern eben auf diesem Fluss, dem später sein Name gegeben wurde, nach Fort George (heute Prince George) zurück.
1848 errichtete die Hudson Bay Companie (HBC) das Fort Yale als Pelzhändlerstation. Trotz der Warnungen Frasers versuchte die HBC durch den Fraser Canyon eine Verbindung zwischen dem Landesinnern und der Küste von British Columbia zu erstellen. Als immer wieder Lasttiere im Canyon umkamen, wurde das Fort Yale geschlossen.
1858 wurde unterhalb Yale an beiden Flussufern Gold gefunden. Innerhalb Wochen kamen 30'000 Goldgräber, vor allem Leute, die im Goldrausch 1849 in Kalifornien enttäuscht worden waren, hierher und machten aus Yale eine raue, boomende Stadt, die für die Briten eine echte Bedrohung darstellte.
1862-1864 wurde durch die Royal Engineers, ein Corps von Soldaten, genannt Sappers, die berühmte Cariboo Wagon Road von Yale nach Barkerville erbaut, eine Meisterleistung, die man als achtes Weltwunder bezeichnete. Sie ist über 600 km lang. Auf ihrer Spur werden wir die nächsten Tage fahren.
1880 begann die Canadian Pacific Railway (CPR) mit dem Bau der Strecke Port Moody - Kamloops. Operationsbasis des Ingenieurs Andrew Onderdonk war Yale. Mit 30'000 Arbeitern - unter ihnen 6’500 Chinesen, die zum halben Lohn arbeiten mussten - wurde innerhalb viereinhalb Jahren die Strecke mit 27 Tunnels und 600 Brücken und ‚trestles’ fertig gestellt. Es gab viele Tote, vor allem unter den Chinesen: pro Meile bezahlten drei Chinesen mit ihrem Leben.
1911-1914 erbaute dann die Canadian National Railway (CNR) auf der anderen Flussseite eine neue Linie. Beide werden heute benutzt, nach meinen Beobachtungen die linke für die Talfahrt, die rechte für die Bergfahrt.
Dann fahren wir dem Fraser River entlang und besichtigen die alte Alexandra Bridge, zu der man vom Parkplatz des TCH auf der alten Cariboo Wagon Road hinuntersteigt. Dabei müssen wir das Trassee der PCR überqueren. Tafeln warnen vor den Zügen, was nicht nötig ist. Man hört sie meilenweit zum Voraus! Die Hängebrücke wurde 1926 vom Hochwasser weggerissen und für den Fraser Canyon Highway für den Automobilverkehr neu erstellt. Seit 1962, als der TCH erbaut wurde, wird sie nicht mehr benützt.
Beim Hell’s Gate, so genannt von Simon Fraser, der hier am 26.6.1808 über Brücken und Leitern durchzog, führt eine Seilbahn ans andere Flussufer hinunter. Wir wählen die sportliche Variante und gehen die 170 Höhenmeter auf einem Fahrsträsschen hinunter und über die kleine Hängebrücke zum Restaurant hinüber, wo wir uns einen feinen, riesigen Cesarsalat mit Rauchlachs bestellen. Der Fluss ist hier gerade noch 34 m breit, aber (heute) 45 m tief! Bis zu 15 Millionen Liter Wasser fliessen pro Sekunde durch. Für die Lachse - es sollen während des Lachszuges bis 350'000 pro Tag hinauf schwimmen - wurde eine komplexe Fischtreppe gebaut, die den Fischen das Hinaufschwimmen bei jedem Wasserstand ermöglicht. Diese Massnahme war nötig gewor¬den, als ein Felssturz beim Bau der Eisenbahnlinie 1914 den Canyon verengt hatte und den Fischen den Weg zu ihren Laichgründen versperrte.
In Lytton sehen wir den Zusammenfluss des Fraser River und des Thompson River - der erste führt braunes Wasser, der andere glasklares. Beide Flüsse haben ihre Quelle in unmittelbarer Nachbarschaft in der Nähe von Jasper. Der mit 1360 km weitaus längere Fraser River fliesst von dort zuerst nach Nordwesten, dann Westen und ab Prince George nach Süden.
Die Weiterfahrt dem Thompson River entlang ist phantastisch. Das breite Band des klaren, wegen vieler kleiner Stromschnellen sprudelnden Wassers – ein Eldorado für River Rafting - wird auf beiden Seiten gesäumt von einer Bahnlinie. Wir fahren mal auf der linken, mal auf der rechten Seite. Das Klima hat sich ab Lytton stark geändert: es ist trocken und warm; in Lytton gar 26°! Die Berge tragen spärliche Föhren, die meisten davon sind krank, der Boden ist kahl, das felsige Flussufer erodiert. Um 18 Uhr sind wir vor Clinton. Der kleine, saubere private Campground Clinton Pine gefällt uns. Wir haben alles; sogar Holz für ein Campfire ist in Hülle und Fülle vorhanden! So entfachen wir am Abend ein Feuer wie am 1. August und tanken ein bisschen Wärme für die Nacht. Wir sind froh, dass wir weit weg von einer Bahnlinie sind – denken wir. Abends hören wir wieder unseren Plaggeist, die CPR; doch er ist weit entfernt!

DAS GROSSE WALDSTERBEN
Am Mittwoch erfahren wir die Ursache der kranken Föhren. Eine erst letztes Jahr am Strassenrand aufgestellte Informationstafel befasst sich mit dem Thema Föhrensterben. Der mountain pine beetle (eine Art Föhrenborkenkäfer) befiel die letzten Jahre über 7 Millionen Hektar Föhrenwald (lodgepole pine tree). Die vergangenen Winter waren zu warm, sodass 80% statt 10% der Käferlarven den Winter überlebten. Der Käfer ist zwar Teil des Ökosystems: Er befällt normalerweise alte Bäume und begünstigt so das Wachstum der jungen Triebe. Nun hat er aber auch gesunde Bäume befallen, die man frühzeitig fällen muss. Die Wiederaufforstung erfordert einen grossen Aufwand.
Übrigens sind heute noch zwei Drittel der 944'735 km2 grossen Provinz British Columbia (grösser als Frankreich und Deutschland zusammen) von Wald bedeckt; 25% davon sind Föhren.

BEI DEN GOLDWAESCHERN
Barkerville ist das nördliche Ende der Cariboo Wagon Road, so genannt nach Billy Barker, der hier 1862 auf eine ergiebige Goldader stiess, was den Cariboo Goldrush auslöste. Barkerville wurde die grösste Stadt ’westlich von Chicago und nördlich von San Francisco’. Seit zwei Tagen sahen wir am Strassenrand immer wieder Hinweise, dass diese Ghosttown das Sightseeing # one von BC ist. Also wollen wir sie besichtigen. Und wir werden nicht enttäuscht! Schon auf der Hinfahrt staunen wir über die unglaublichen Felder von Margeriten, die am Strassenrand in kräftigem Rot blühenden Indian Paint Brush und die dunkelblauen Lupinen. Eine wahre Pracht.
Barkerville selber ist ein lebendiges Museum. 130 Häuser sind wieder aufgebaut, manche davon können wir besichtigen und erfahren so manches über die Lebensweise der damaligen Zeit. Wir nehmen teil an einer Schulstunde, schauen dem Schmied bei der Arbeit zu, sehen eine Hausfrau auf dem alten Holzofen kochen, hören eine Frau sich über die überrissenen Lebensmittelpreise beklagen usw. Auf einer Wanderung durch die Umgebung finden wir glücklicherweise einen Goldklumpen. Auf diese Weise zu ungeahntem Reichtum gekommen, ändern wir unseren Reiseplan: wir werden auf der Rückkehr von Alaska ab Skagway mit dem Schiff den schöneren, nördlichen Teil der Inside Passage befahren und werden uns dann überlegen, ob wir mit dem Erlös des Goldklumpens uns nicht doch ein schönes Blockhaus im Norden von BC kaufen wollen. Auf jeden Fall werden wir die Leser auf dem Laufenden halten.

1 Comments:

At 12:46 PM, Anonymous Anonymous said...

Hoi zäme, also wenn ihr dann mit dem Goldklumpen ein Blockhaus gekauft habt, komme ich euch besuchen...... Ihr bringt mich auf eine Idee: In den Sommerferien besuche ich den Ballenberg. Vielleicht finde ich dort auch noch einen Klumpen.....
Spass beiseite: Vielen Dank für euren Bericht. Ebenso für die Föteli von der Schulstube und dem Unterricht. Beinahe ein "Anker"-Bild!
Händ witerhi e gueti Zyt.
Herzlich Lisa Stamm

 

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