ursundestherunterwegs

Wednesday, June 07, 2006

Von Oregon nach Washington


Nun sind wir bereits 5000 Meilen (8000 km; s. Karte) mit dem RV unterwegs und haben schon viele Eindrücke von Land und Leuten gewonnen. Wie stark der Patriotismus ist, zeigte sich am Memorial Day (29.5.) war alles beflaggt, Häuser, Gärten, Boote, Velos, Rucksäcke, Strassenränder im Wald, und natürlich die Autos. Wir fühlten uns wie in der Schweiz am 1. August. Doch an kritischen Stimmen fehlt es auch hier nicht, sahen wir doch irgendwo in Oregon an der Heckscheibe eines vorausfahrenden PW den Kleber:
Somewhere in Texas is a village missing an idiot.

An der Mündung des Columbia River
Die Fahrt der Küste entlang nordwärts nimmt an der Mündung des Columbia River ein Ende. Hier hat der Staat Oregon mehrere Parks eingerichtet, die an die Expedition von Lewis und Clark 1804-1806 erinnert. Diese waren im Auftrag des Präsidenten Jefferson, kurz nachdem die Unites States von Frankreich Louisiana (das damals ein Gebiet bis nach Kanada hinein umfasste) gekauft hatte, losgezogen, um über den Oberlauf des Missouri an den Pazifik zu gelangen – ungefähr das, was wir beide jetzt auf der Südroute machen, nur dass wir ein bisschen schneller sind!
An der Mündung des Flusses ist das Fort Stevens zu besichtigen: Befestigungsanlagen aus der Zeit des Bürgerkrieges, des Spanisch-Amerikanischen Krieges, des 1. und 2. Weltkrieges. Hier erfahren wir auch, dass die Japaner am 21.6.1942 mit U-Booten einen Angriff gegen dieses Bollwerk starteten uns auch mehrere Hundert Papierballone (sic!) mit Brandbomben in Japan hochsteigen liessen, die dann vom Wind getrieben innerhalb weniger Tage über ganz Nordamerika niedergingen und Flächenbrände auslösen sollten.

Mücken
Am Columbia River ist es feucht (im Bild ein Nebenarm: der Lewis and Clark River). Das haben schon Lewis und Clark und ihre Expeditions¬mitglieder im Winter1805/06 erfahren müssen: ihre Kleider verschimmelten, sie selber auch fast. Dieses Jahr hat es geregnet wie kaum seit Menschengedenken. Wir werden gleich beim Eintreffen im Campground vor Mücken gewarnt. Esther ist peinlich darauf bedacht, Türen und Fenster stets geschlossen zu halten und beim Ein- und Aussteigen den Mücken das Eindringen zu verwehren. Diese Mücken greifen schliesslich doch immer nur sie an; ich sei dank ihr gefeit. Ich bin jedoch der Meinung, die amerikanischen Mücken seien emanzipiert und machen sich auch an Männer ran. Am Morgen dann tatsächlich das Resultat: Esther hat keinen einzigen Stich abbekommen, ich hingegen mehrere am Fussgelenk. Irgendwie habe ich doch eine besondere Anziehungskraft auf weibliche Wesen. Doch meine Therapie: Attacken von weiblichen Wesen (und seien es nur Mücken) einfach ignorieren, sich nichts anmerken lassen, wenn man angegriffen wurde und auch nicht kratzen, selbst wenn es juckt! Tagsüber sind wir vermummte Gestalten vor Mücken bestens geschützt (s. Bild). Vor diesem Anblick fürchten sich selbst die Mücken.


Pfingstsonntag
Es hat die ganze Nacht in Strömen geregnet. Die schweren Regentropfen prasselten aufs Dach des Campers und liessen uns während der Nacht immer aufwachen. Ich träumte von irgendeinem Krieg und Maschinengewehrsalven.
Jetzt am Morgen lässt der Regen allmählich nach, und die Asphaltsträsschen werden trocken. Draussen fahren auf Kindervelos und Trottinett erneut Kinder vorbei, alle wieder mit Helm und wie immer im Pyjama, doch diesmal mit gelber Regenjacke.
Während der Weiterfahrt dem Südufer des Columbia River entlang hellt es auf und im Staat Washington im Seaquest State Park am Silver Lake, 70 km westlich des Mount St. Helens, scheint gar wieder die Sonne.

Mount St. Helens
Auf unserer Reise durch den Südwesten Kanadas und den Nordwesten der USA 1999 hatten wir den Mount St. Helens von der Ostseite aus besichtigt und waren fasziniert gewesen von der Vegetation, die sich nach der Katastrophe vom 18.5.1980 langsam aber sicher erholt. Damals stürzte wegen eines Erdbeben die Bergspitze ins Tal. Der Vulkanschlot wurde freigelegt und in einer gewaltigen Druckwelle fegten Gesteinsfragmente, Gas und Wasserdampf in einem Umkreis von 15 Meilen alles hinweg. Die gesamte Flora und Fauna, die nicht unter einer schützenden Schneedecke lag, wurde zerstört.
Nun fahren wir von Westen her auf einer neuen Strasse über imposante Brücken und wandern so nahe an den Berg heran wie wir können. Das Ausmass der Verwüstung wird uns auch hier deutlich gemacht. Dabei war das Auswurfvolumen ‚bloss’ 1 Kubikkilometer Material – der Vesuv hatte 69 n. Chr. 4 km3 ausgeworfen, ein um 4500 v. Chr. ausgebrochener Vulkan, ich glaube er heisst Manzana, gar 150! Allzu gerne wäre Esther bis zum Spirit Lake gegangen, um die Baumstämme zu zählen, die immer noch im See liegen. 1999 waren es ein paar Tausend gewesen! Doch der Weg ist zu weit, und uns interessieren auch die guten Informationen, die uns die verschiedenen Visitor Centers des National Monuments bieten. Zudem kann man sich mit der Zeit leicht verschätzen: für Wanderungen gibt es meist keine Zeitangaben, sondern nur horizontale Distanzangaben in Meilen. In der näheren Umgebung wird alles der Natur überlassen: Tannen beginnen zu spriessen, Erlen und Weiden blühen, allerlei Blumen, vor allem die roten Indian Paintbrush (s. Bild) und blauen Lupinen beleben mit ihren Farben die noch karge Landschaft. Sogar Walderdbeeren blühen wieder.
Die zerstörten 607 Quadratkilometer forstwirtschaftlich genutzten Wälder sind jedoch inzwischen mehrheitlich wieder aufgeforstet worden. Seit Tagen fahren wir durch Wälder, die intensiv bewirtschaftet werden, vor allem in Oregon und hier im Staat Washington. Die hügeligen Wälder werden in kleinen Sektoren kahl geschlagen. Sie sehen aus wie Schafe, die nur stellenweise geschoren sind. Dann wird wieder – nach wissenschaftlichen Methoden – angepflanzt. Nach rund 35-40 Jahren Wachstum werden die Baumstämme gefällt. Dauernd begegnen wir auf den Strassen überlangen Lastwagen mit Holzstämmen. Wir fahren an Industrieanlagen vorbei, sehen Berge von Holzschnitzeln, denen wir dann wieder in Parkanlagen und auf Waldwegen bewegen. Es wird alles verwendet. Auch die Häuser werden mehrheitlich aus Holz gebaut: ein Gerüst aus Holzlatten, in das Spanplatten eingepasst werden. Die Häuser erinnern uns ein wenig an die Kartonhäuschen, die wir als Kinder gebastelt haben.

Auf der #101 fahren wir am Ostrand des Olympic NP am Ufer der Bucht von Seattle entlang. Diese Route finden wir schöner als die Interstate 5 über Tacoma-Seattle. Am Fuss der höchsten Gipfel dieses Gebirges, welche das ganze Jahr von Eis und Schnee bedeckt sind, auch wenn der höchste von ihnen, der Mount Olympus, nicht einmal eine Höhe von 2500 m erreicht, übernachten wir. Am Ufer des Kanals, der das Festland von der Halbinsel trennt, beobachten wir Wasservögel, u.a. Regenpfeifer (Killdeer, Fam. Charadriidae) und Seehunde, die ihre Köpfe aus dem Wasser hervorstrecken, um sich orientieren zu können, und im Wasser herumtollen wie eben junge Hunde. Die Stimmung ist wunderbar, vor allem weil die Sonne am klaren Himmel über dem tiefblauen Meer warmt scheint und wir wieder kurze Kleider tragen können. Wir pflücken zum ersten Mal wilde Beeren. Esther ist ganz in ihrem Element! Es sind die orangefarbenen Salmon Berries. Die Indianer haben erst Lachs (salmon) gefangen, wenn diese reif waren; daher der Name. Da wir am folgenden Morgen immer noch am Leben sind, wissen wir, dass sie ungiftig sind.

Am Freitag werden wir die USA verlassen. Wir fahren mit der Fähre von Anacortes (im Norden Washingtons) an vielen Inseln vorbei nach Vancouver Island. Das nächste Mal werden wir einen Kartenausschnitt unserer letzten Etappe beilegen.

2 Comments:

At 11:13 PM, Blogger girlscrazyworld said...

Ich bin so neidisch! Neidischneidischneidisch! All die schönen Sachen, die Ihr erlebt und mit all Euren Sinnen aufnehmen könnt! Du schreibst so gut, dass ich das Holz der Bäume FAST riechen und das Plätschern des roten Baches FAST hören kann - aber eben nur fast! Neidischneidischneidisch!
Weiterhin eine schöne Erlebnisreise wünscht Euch
Andrea

 
At 12:57 PM, Anonymous Anonymous said...

Dear Esther and Urs, I looked your blog up and printed it all out for my mother. I love the pictures (all I can understand easily). You look great in your mosquito nets! You will have good use of it in Alaska too. Keep up the smiles, love, Rina

 

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