ursundestherunterwegs

Saturday, May 06, 2006

In den Bergen

Die comments auf unsere Blognachrichten sowie die vielen Mails haben uns sehr gefreut, und wir danken dafür.

Wir sind nun in Chama, ganz im Norden von New Mexiko angelangt und haben in einem einsamen Campground auf 2430 m Höhe übernachtet. Morgens um 6 Uhr war es gerade 6° warm im RV, doch die Sonne wärmt schnell. Ringsum erheben sich hohe Espen, die in frischem Grün stehen. Wir hören das Rauschen des Chama Rivers, über den sich eine Brücke der Cumbres/Toltec Scenic Railway spannt. Der nun als Touristenattraktion geführte Dampfbahnbetrieb war einst Teil der Westernstrecke Denver - Rio Grande. Da im Visitor Center freier kabelloser Zugang zum Internet besteht, können wir bequem unser Powerbook für unsere Nachricht verwenden und von den vergangenen Tagen berichten:

Nach unserem Aufenthalt in Santa Fe verbringen wir zwei Tage in den Bergen im Bandelier National Monument. Wir übernachten in einem lichten Wald aus hohen Ponderosa Pines auf der Flanke eines vor einer Million Jahre ausgebrochenen Vulkans, der eine 300 m hohe Aschenschicht ablagerte, die sich zu Tuffstein verfestigt hat. Der flache Abhang ist durchzogen von Tälern, sog. Canyons. Auf einer Hochebene zwischen zwei solchen Canyons liegt auf 2200 m Höhe unser Campground. Übrigens befindet sich auf der benachbarten Hochebene die moderne Forschungsstadt Los Alamos.
Wir besichtigen am Abend im Frijoles-Canyon das Visitor Center und begehen den Main Loop Trail, der uns an den vielen Siedlungsspuren vorbeiführt. Die Anasazi (hier Tyuonyi genannt) haben Höhlenwohnungen in die Tuffseinwand hinein und zusätzlich an die Felsen gebaut und zudem ein ringförmiges Dorf in der Talsohle errichtet. Der 1840 in Bern geborene und in Illinois aufgewachsene Anthropologe Adolph Bandelier hat diese Siedlung 1880 entdeckt und eingehend erforscht. Auf dem Rückweg sehen wir endlich die ersten beiden Mule Deers (eine Hirschart mit grossen Ohren). Leider liegen sie zwischen den Bäumen und geben uns keine Vorstellung ihre Sprungtechnik: Sie springen mit allen vier Füssen gleichzeitig in die Höhe und berühren auch gleichzeitig mit allen Vieren den Boden.

Am folgenden Morgen machen wir einen Spaziergang – natürlich in unseren Teva-Sandalen - auf einem guten, breiten Weg zu einem sog. ‚overlook’, einem Aussichtspunkt, der einen Ausblick in den 200 m tiefer gelegenen Canyon und auf den bewaldeten Krater in der Ferne gibt. Auf dem Rückweg trete ich beinahe auf eine über 1 m lange Klapperschlange, die offenbar den Weg überqueren wollte und nun unbeweglich daliegt. Erst als ich ein Foto mache, zieht sie sich in einen schützenden Strauch zurück, stellt sich aber, ihren Oberkörper hoch aufgerichtet, in Angriffsposition, wiegt ihren Kopf, züngelt und beginnt zu klappern. Es ist vermutlich eine Mojave Rattlesnake, die bis 1.25 m lang wird. Sie ist an ihrer Rückenmusterung und an den schwarz-weissen Bändern des Schwanzes, bei denen im Gegensatz zur Western Diamondback Rattlesnake die weissen Sektoren weitaus breiter sind als die schwarzen, gut zu erkennen. Mithilfe zweier zwischen den Augen liegenden Grübchen kann sie die geringsten Temperaturschwankungen registrieren und so ihren Angreifer genau lokalisieren. Wir haben sie offenbar beim Überqueren des Weges überrascht, und da ich nur einen halben Meter neben sie auftrat, verharrte regungslos und wollte uns auch unbemerkt vorbeiziehen lassen. Da ich mich aber mit dem Fotoapparat wieder näherte, bezog sie ihre Defensivstellung.

Am Nachmittag ziehen wir auf unserer dreistündigen Wanderung auf dem Frey-Trail, der uns in die Schlucht hinab führt, vorsichtshalber trotz der Wärme unsere Wanderschuhe an. Leider können wir den Cougar (Puma, Berglöwe), der in den Felsen lebt, nicht sehen.

Zwei Tage verbringen wir in Taos und besichtigen zuerst das Museum Kit Carson. Ein Videofilm informiert uns über das Leben dieses 1809 geborenen Mannes, der den Beruf eines Sattlers erlernte. 1831-1841 war er als Trap¬per vor allem in Colorado und Wyoming unterwegs. Von John C. Frémont, einem Topographen und Eisenbahn¬inspektor, wurde er zum Füh¬rer auf drei Expeditionen (für $ 100 pro Monat) enga¬giert. Die erste führte ihn von St. Louis (Missouri) zum South Pass (Wyoming), die dritte 1845 bis nach Kalifornien. Auf dem Rückweg nach Washington wurde er von General Kearny engagiert, den er mit 110 Mann nach Kalifornien in den Krieg gegen Mexiko führte. Ein weiteres Mal ritt er in nur 4 Monaten nach Washington (Feb. bis Juni 1847) und dann wieder zurück nach Los Angeles, wo er im Oktober ankam. Ein weiteres Mal machte er diesen Weg 1848. Dreimal war er verheirat, in erster Ehe mit einer Arapahofrau, Waa-Nibe, in zweiter Ehe mit der Tochter eines Cheyenne-Häuptlings, in dritter mit einer Spanierin. Von seinen Strapazen (der Reisen natürlich!) geschwächt starb er 1868 an einem ‚ruptured aneurysm’ (Herzarterienriss). Nur relativ kurze Zeit hatte er in seinem schönen Haus in Taos, das nun als kleines Museum dient, zugebracht.

Am nächsten Tag sind wir in Taos Pueblo, einem originalen Indianerdorf, das zum Weltkulturerbe gehört. Wir lassen uns ‚registrieren’, d.h. bezahlen für uns und für den Fotoapparat eine kräftige Gebühr (in der Kirche darf man dann aber doch nicht fotografieren!). Immerhin werden wir von einer jungen Red-Willow-Indianerin, die sehr gut Englisch spricht, dass sogar ich (Urs) das meiste davon verstehe, durch das Dorf (Kirche, Friedhof, Häuser) geführt. Einige Häuser sind - natürlich nach verschiedenen Renovationen -1000 Jahre alt. Sie sind im Adobe-Stil erbaut, d.h. aus Lehmtrockenziegeln hergestellt. Die Mauern sind bis zu 60 cm dick, isolieren im Winter wie im Sommer; die Balkendecke mit dünneren Hölzern und dann wiederum mit Lehm überdeckt. Das Wort ‚adobe’ wurde im 18. Jh. aus dem spanischen adobar (pflastern), und dieses wiederum aus einem arabischen Wort, das ‚die Ziegel’ bedeutet. Es gibt weder fliessendes Wasser noch Elektrizität, aber wie überall grosse, starke Autos. Das Wasser wird vom Fluss, der mitten durch das Dorf fliesst, geholt. Abwasserkanalisation gibt es keine, auch nicht für die einfachen Plumpsklos. Die Saison hat noch nicht begonnen und Marktstände sind praktisch leer. Dennoch gelingt es Esther, bei einer Pueblo ein Brot zu kaufen, das gut schmeckt (mal nicht süss) und das diese angeblich selber gebacken hat.



Über den Bergen entladen sich am Abend Regen¬wolken, doch offensichtlich erreicht der Regen den Boden nicht, sondern verdunstet noch in der trockenen Atmosphäre. In Red River, einem auf 2700 m Höhe gelegenen Touristenort, wo noch einige Schneeflecken zu sehen sind, wird man in zwei Wochen die ‚wilderness’ schliessen, wenn bis dann kein Regen gefallen ist. Es hat zwar vor einer Woche heftig geregnet, doch der Winter war so trocken, dass der Boden noch viel Regenwasser benötigt.

Der nächste Tag führt uns über bewaldete Bergrücken und einen 3150 m hohen Pass. Ein Kojote spaziert der Strasse entlang und schaut uns neugierig nach. Eine Herde Pronghorns ist in Bewegung. Sie rennen, wenn es auch keinen Grund dazu gibt; Bewegung liegt ihnen im Blut!

Heute überqueren wir die Grenze nach Colorado und werden in Durango zweimal übernachten, denn wir haben bereits zwei Fahrkarten für die Dampfzugfahrt nach Silverton.

3 Comments:

At 10:13 AM, Blogger nachtwache said...

I love your travel reports, it feels like I'm along for the adventure. God speed! Monika

 
At 3:37 AM, Anonymous Anonymous said...

Lieber Urs,
Weisst du noch, was Aufnahmeprüfungen sind? Sie finden heute statt und da ich nicht betroffen bin, hatte ich Zeit, eure spannenden Berichte zu lesen. Ich hoffe sehr, dass ich nach meiner Amtszeit auch noch so fit und unternehmungslustig bin, um solche Reisen zu unternehmen! I wish I were there, too!

Liebe Grüsse auch an Esther Edith

 
At 1:38 AM, Blogger mischo@asia said...

Habe grad alle Eure posts gelesen und angesichts Eurer ausfuehrlicher Berichte ein schlechtes Gewissen bekommen,weil ich selber nicht gerade fleissig den meinigen up-date. Ich werd mich bessern.
Gruss vom anderen Ende der Welt.
mischo.

 

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