ursundestherunterwegs

Monday, July 24, 2006

Von Fairbanks nach Anchorage


ALASKA
Wussten Sie, dass Alaska vierzigmal grösser ist und zehnmal weniger Einwohner hat als die Schweiz? Bei gleicher Bevölkerungsdichte dürfte die Schweiz nur 17'500 Einwohner zählen, d.h. weniger als die Stadt Solothurn.
Alaska hat mehr als die Hälfte der Gletschermasse der gesamten Welt. Die Küstenlänge beträgt 53'000 km, d.h. mehr als der Erdumfang.
Warum essen die Leute hier Glace im Winter? Um sich aufzuwärmen! Die Aussentemperatur beträgt -50° Celsius, die Glace ist -15° warm; man rechne!

Am Donnerstag, 13.7., haben wir unsere Schwester und Schwägerin Brigitte am Flughafen Fairbanks abgeholt. Sie wird fast drei Wochen mit uns zusammen in Alaska verbringen. Am nächsten Tag sind wir in den Denali National Park (NP) gefahren.

DER MIT DEN WOELFEN HEULT
Vier Nächte verbringen wir im Denali NP, und zwar so weit im Park drinnen, wie Wohnmobile zugelassen sind. Den Platz haben wir bereits im Februar reserviert. Wir müssen zwar ohne die Segnungen der Zivilisation, wie Wasser, Strom, öffentliche Spültoiletten und Dusche auskommen und sind auf die wenigen Gallonen Wasser in unserem Tank angewiesen. Dafür beschert uns die Abgeschiedenheit ein paar unvergessliche Erlebnisse.
Mit einem offiziellen Bus, einem alten klapperigen Schulbus, fahren wir zweimal bis Wonder Lake und zurück, d.h. jeweils 175 km auf Naturstrassen. Die Tagesfahrt dauert - inkl. Halt - neun Stunden. Doch sie ist kurzweilig: die Weite der Landschaft, die unendlich weiten und breiten, von Kiesbänken durchzogenen Flusstäler, die in allen Mineralfarbtönen schimmernden Berge, das abwechslungsreiche Grün von Tundra und Taiga, die Gletscherzungen, die von Schutt bedeckt und am Ende von Gras überwachsen sind, die kleinen Moorteiche, in denen Biber ihre Burg bauen, Enten sich tummeln und über denen Kurzohreulen nach Beute spähend ihre Kreise ziehen, bannen stets unseren Blick. Am meisten gespannt sind wir natürlich auf Tierbegegnungen.
Auf der zweiten Tagesfahrt haben wir eine hervorragende Buschauffeurin, die von Beruf Schulbus fährt und offenbar gewohnt ist, mit Kindern wie Erwachsenen umzugehen. Sie gibt uns zahlreiche Informationen, fährt zügig und sieht Bären auf eine Distanz von einem Kilometer. Wenn sie etwas sieht, müssen wir noch während der Fahrt die Fenster öffnen, uns ruhig verhalten, nicht reden, nicht zum Fenster hinauslehnen etc. Die Fenster dürfen wir erst wieder „zuschletzen“, wenn der Bus angefahren ist und das Geräusch vom Motorenlärm übertönt wird. Wir gehorchen ihr brav, weil wir ja etwas erleben wollen. Das Einhalten dieser Weisungen beschert uns die schönsten Beobachtungen. Wir fahren bis zum Wonder Lake und zurück. Das Wetter ist schöner als die beiden Tage zuvor, und die lange Fahrt lohnt sich diesmal. An verschiedenen Stellen sehen wir Bären, einmal zwei aus nur etwa 150 m Distanz. Auch einen Elch können wir beim Äsen in der sumpfigen Tundra beobachten.

Das schönste Erlebnis sind aber die Wölfe. Kurz nach Toklat River kommen uns drei Wölfe auf der Strasse entgegen. Ein Bus hat vor uns bereits gehalten. Der graue Wolf verschwindet wieder, doch ein schwarzer Wolf und eine weisse Wölfin, das Alphatier, das im Frühsommer geworfen hat, gehen gemächlich und nahe an unserem Bus vorbei. Wir verhalten uns absolut ruhig, haben die Fenster geöffnet, lehnen uns aber nicht hinaus! Die Wölfe zögern, weil ein Bus hinter uns gehalten hat, aus dessen Fenstern die Leute sich hinauslehnen. Die weisse Wölfin setzt sich wie ein artiges Hündchen ins Gras, der schwarze kratzt sich im Gebüsch.

Dann gehen beide langsam wieder zurück, mustern den Bus, bleiben vor uns auf der Strasse stehen und beginnen zu heulen, wobei stets die Wölfin das Geheul anstimmt, in das der Wolf brav einfällt. Wir 40 Touristen hören atemlos zu. Den Ton können wir mit der Digitalkamera festhalten. Nach dieser - unbezahlbaren! - Vorstellung ziehen die Wölfe sich zurück. Sie waren, wie uns später berichtet wird, auf der Suche nach einem jungen Karibu. Vielleicht sind die beiden die Eltern der sechs Welpen (vier schwarze, zwei weisse), die wir auf der Rückfahrt im Flussbett beobachten können. Dort spielen sie und balgen sich, wie es sich für junge Wölfe gehört. Zum Abschluss spaziert noch eine Willow Ptarmigan-Familie (Rebhuhn) aus dem Gebüsch heraus auf die Strasse: Eltern und vier Junge.



FAHRT INS MAT-SU VALLEY (nördlich von Anchorage)
Vor unserer Wegfahrt aus dem Denali NP besichtigen wir eingehend das eben erst eröffnete Visitor Center beim Parkeingang, das natürlich grossartig gemacht ist. Die Ausstellung gewährt vor allem Einblick in die Welt und Problematik der Tiere, die wir in den vergangenen Tagen beobachten konnten.
Dann fahren wir um vier Uhr los. Die Fahrt führt vorerst dem Nenana River, nach Überquerung des Broad Pass (701 m) dem Chulitna River entlang, führt abwechslungsweise durch Tundra und Taiga, stets dem Ostrand der Alaska Range entlang. Gegen sechs Uhr treffen wir auf dem Denali Viewpoint North ein, ein grosser Parkplatz über der Flussebene des Chulitna mit Schautafeln und Ausblick auf die Alaska Range. Der Denali (Mount McKinley) zeigt sich erst am Abend teilweise aus den Wolken.
Am nächsten Morgen machen wir bereits nach einer halben Stunde Halt am neu eingerichteten Denali Viewpoint South, wo wir einen Kaffeehalt einschalten. Der Denali und die umliegenden Berge zeigen sich nun wunderbar, ein bisschen von Wolken umgeben. Ein kurzer Weg führt auf eine Anhöhe, von der aus auch das Flusstal des Chulitna sowie der mächtige Ruth Glacier gut zu sehen sind.
Am Kashwitna Lake machen wir einen kurzen Halt und geniessen den Blick auf die ruhige Oberfläche, auf der sich der Wald und die Berge spiegeln. In Houston essen wir im kleinen Restaurant auf der Terrasse mit Blick auf einen kleinen See. Die Vegetationsflecken auf der Wiese stammen von den Elchen, die hier bis zum Frühjahr die Nacht verbrachten.
Im Homestead RV Park bei Palmer nehmen wir Quartier für drei Nächte.



ANCHORAGE
In der Downtown von Anchorage suchen wir lange nach einem geeigneten Parkplatz. Wir müssen belegen und bezahlen zwei, was, wie es sich später herausstellt, richtig ist. Denn beim grossen Parkplatz am Bahnhof, wo wir schliesslich längere Zeit parkieren, stellen wir am Abend fest, dass drei Camper, die zwei, drei oder sogar nur noch ein paar Zentimeter eines weiteren Parkplatzes belegt und nur einen bezahlt hatten, bis drei Strafzettel unter der Windschutzscheibe hatten.
Dreieinhalb Stunden widmen wir dem höchst interessanten Anchorage Museum of History and Art. Wir bestaunen Gemälde, u.a. des Laienmissionars und Malers Eustace Paul Ziegler, eine Vielzahl von aus den Zähnen des Walrosses geschnitzten Kunstgegenständen, die temporären Ausstellungen über Vögel (Eulen, Adler, Habichte, Falken). Uns interessiert aber vor allem das obere Stockwerk: Geschichte Alaskas. Erste Besiedlung via Beringstrasse, Lebensweise der Einheimischen, Entdeckungsfahrten der Russen und Westeuropäer, Leben der Goldgräber, Bau der Eisenbahn, der Pipeline etc. Naturgetreue Behausungen aus Holz oder aus Fellen mit den Menschen in der damaligen Bekleidung mit allen möglichen Werkzeugen und Einrichtungsgegenständen macht uns die Vergangenheit lebendig.


IN DER GARAGE
Auch ein RV braucht gelegentlich eine Revision. Nach 9'000 Meilen Fahrt ist ein grösserer Service fällig. Wir haben ihn in einer Garage in Eagle River vor ein paar Wochen angemeldet. Während dieser Arbeit sind wir natürlich ‚heimatlos’, d.h. wir sind ausgeschlossen und warten einfach irgendwo, bis der Wagen wieder reisefertig ist. Wir rechneten mit einer Wartezeit von 2 Stunden. Doch wir werden gleich informiert, dass es schon bis 11 Uhr dauere. Wir gehen einkaufen und bummeln und treffen um 11.30 in der Garage wieder ein, um den RV in Empfang zu nehmen. Da wartet auf uns eine böse Ueberraschung: von den Bremsbelägen der Vorderbremsen seien nur noch 20 % vorhanden, das genüge nicht bis Kalifornien. Wir werden auf 16 Uhr vertröstet; die Bremsbeläge träfen erst am frühen Nachmittag ein. Wir gehen essen und kommen wieder zurück und sprechen mit dem Mechaniker: Die Bremsbeläge halten normalerweise 25'000 - 30'000 Meilen; d.h. bei der Uebernahme seien die Beläge bereits recht abgefahren gewesen. Wir sind verärgert, weil wir uns verschaukelt fühlen und weil wir einen ganzen Tag verlieren. Wir machen einen Spaziergang durch den Ort, betrachten die Häuser und Gärten, kaufen uns rasch entschlossen ein Haus - offenbar haben wir das getan, wie das Namensschild auf der Foto zeigt - und kommen um 15 Uhr zurück, sitzen im Office, lesen, suchen die aufgelegten Zeitschriften fieberhaft nach Sudokus durch, trinken Kaffee und schauen immer wieder betont auf unsere Uhren. Erst um 17 Uhr ist alles erledigt. Wir bezahlen die Rechnung mit geschlossenen Augen und fahren zurück.


WANDERUNG MIT CORINA
Corina, die Tochter einer Freundin Esthers, lebt seit 14 Jahren in Alaska. Am Samstag, 22.7. holt sie uns mit ihrer Kollegin Nina, einer Hauswirtschaftslehrerin von Sils i.D., die ihre Ferien in Alaska verbringt, auf dem Campground ab. Mit dabei ist Corinas quicklebendiges Hündchen Tobi, das während der Autofahrt wegen Platzmangels vorübergehend zum Schosshündchen wird. Wir fahren mit ihnen zum Hatcher Pass, wo wir mit einer Gruppe von einem Dutzend Leuten eine kleine Wanderung auf einen Berg unternehmen. Das Wetter hellt langsam auf, und wir haben doch einen schönen Blick auf die umliegenden Berge, die sehr an das Engadin erinnern, im Süden auf das Tal des Knik River und im Osten auf das Tal des Matanuska River. Doch gibt es hier weder Kühe noch Schafe! Wie wir wieder unten ankommen, ist Tobi, der dauernd den Berg auf und runter gerannt ist, nicht da. Esther macht ihn mit dem Feldstecher auf dem Gipfel des Berges aus. Tobi ist uns untreu geworden und anderen Leuten gefolgt. Corina bleibt nichts anderes übrig, als die Tour nochmals zu machen - wie es ihr Hündchen vorgemacht hat! Gottlob sind es lediglich 280 Höhenmeter. Schliesslich ist die ganze Familie wieder vereint. Auf der Rückfahrt zeigt uns Corina ihr neu erworbenes, schmuckes, von Wäldern umgebenes Haus und lädt uns zum Kaffee ein. Den schönen Tag beschliessen wir mit einem frühen Nachtessen in einem indonesischen Restaurant. Am Sonntag fliegt Corina mit Nina nach Katmai, um die Bären beim Lachsfischen zu beobachten, und wir werden über Anchorage zur Halbinsel Kenai fahren, wo wir uns acht Tage lang aufhalten werden.

P.S. Da „Mr. Blog“ am Sonntag in einem Internetcafé noch nicht bereit war, unseren Bericht zu veröffentlichen, erscheint er nun etwas verspätet aus Seward.

Tuesday, July 11, 2006

Von Whitehorse (Yukon, Kanada) nach Fairbanks (Alaska)


Vorbemerkung: Leider entspricht das Layout der veröffentlichten Nachrichten weder unseren Wünschen noch dem, was Mister Blog in der Vorschau des Entwurfs uns jeweils vorgaukelt. Man möge deshalb die mangelhafte Einbettung der Fotos übersehen.

RECYCLING à la Canadienne
Da das Trinkwasser in Nordamerika wegen des starken Chlorzusatzes und/oder der Ozonisierung ungeniessbar ist, kaufen wir eine Unmenge von in Petflaschen oder Tetrapackungen abgefüllten Getränken. Auf jeder Petflasche, selbst auf Milchpackungen wird in Kanada eine Gebühr für das Recycling und ein Depot berechnet. Depotgebühren hatten wir in der Schweiz ja auch einmal. Die leeren Gebinde konnte man problemlos in der Migros oder Coop oder sonst wo zurückgeben. Wir sammeln brav die leeren Verpackungen, bis wir uns vor lauter Plastik im RV kaum mehr bewegen können. Wir vergessen nämlich bei jedem Einkauf, das Leergut zurückzubringen, bis wir einmal in Whitehorse in einem Supermarkt mit einem Einkaufswagen voller Sammelgut anrücken. Doch unser Sperrgut werden wir nicht los. Weder an der Kasse noch beim Kundendienst ist man bereit, das Leergut zurückzunehmen. Man kann uns auch nicht sagen, wo wir es zurückgeben könnten. Die (Schweizer) Leiterin unseres Campgrounds schliesslich nennt uns die Adresse der Recyclingstation. Wir sind neugierig, wie das in Kanada funktioniert, und fahren die zusätzlichen paar Kilometer zur Sammelstelle am Stadtrand. Tatsächlich wird das Sammelgut entgegengenommen. Wir treffen Einheimische mit riesigen Mengen von Alubüchsen und Flaschen. Diese werden alle einzeln gezählt und das Total der Depotgebühren ausgezahlt - eine aufwändige Arbeit, die doch nicht viel bringt, wenn wir an den Abfall an Picknickplätzen sehen. Wir verzichten darauf, die Schweizer Regelung anzupreisen und überall Sammelstellen einzurichten, und werden in Zukunft die Gebinde wie die meisten Kanadier in den Abfall werfen.


AUF DEM KLONDIKE HIGHWAY (von Whitehorse nach Dawson City)
Am Dienstag, 4. Juli, fahren wir in Whitehorse weg. Wir verlassen den Alaska Highway (#1), um nordwärts auf dem Klondike Highway (#2) zur Goldgräberstadt Dawson City zu gelangen. Wir kommen aber nicht weit, denn schon nach ein paar Meilen machen wir einen Abstecher nach Takhini Hot Springs, um uns dort im Thermalbad zu entspannen. Kurz vor dem Bad sehen wir eine Farm mit gross angelegten Wildtiergehegen. Die Schweizer Leiterin Evelyne führt uns auf einer zweistündigen Fahrt durch das Gelände. Da sehen wir mal aus nächster Nähe Elche, Bisons, Moschusochsen, Mountain Goats, Bighorn Sheep, Stone Sheep usw. Die artgerechte Haltung im weitläufigen Gelände bewahrt den Tieren weitgehend ihr natürliches Verhalten.

Am nächsten Tag fahren wir auf dem Klondike Hwy weiter. Die Strasse ist gut, hat wenig Bodenwellen (die vom Frost herrühren, obwohl die Strasse auf einem erhöhten Trassee angelegt ist), zu beiden Seiten einen gut 15 m breiten Streifen, sodass Wildtiere rechtzeitig wahrgenommen werden. Der Verkehr ist sehr schwach. Im Durchschnitt kreuzt uns alle 10 Kilometer ein Fahrzeug.

Wir befinden uns auf einem historischen Weg. Als 1896 drei Prospektoren (Geologen, die nach Gold, Silber und anderen Erzen suchten) an einem Nebenfluss des Yukon, dem Klondike, Gold fanden und im Juli 1897 mit Riesenladungen Gold (je über eine Tonne) in Portland bzw. San Francisco eintrafen, löste die Nachricht davon eine Hysterie, die Klondikitis, aus. Wenige Tage darauf machten sich Tausende auf den Weg nach Norden, um ihr Glück als Goldgräber (Stampeder) zu versuchen. Mit dem Schiff fuhren sie nach Skagway. Die kanadische Grenzpolizei war alarmiert und verlangte, dass jeder Goldgräber Material von einer Tonne Gewicht mitbringe, um sich selber versorgen zu können. Während des Winters beschafften sich die Goldgräber das Material und schleppten es in mühsamem Aufstieg auf den Chilkoot Pass oder den längeren White Pass hinauf. Das Bild mit der langen Kolonne, die sich an einem Fixseil den steilen Berg hinauf bemüht, ist weltweit bekannt. Auf der Nordseite warteten sie, bis das Eis des Bennett Lake geschmolzen war, und fuhren dann auf selbstgebauten Flossen und Schiffen bis Whitehorse. Dabei war die gefährliche Stromschnelle Miles Canyon zu durchfahren, wo manche ihr Hab und Gut oder sogar ihr Leben verloren. Ab Whitehorse fuhren dann Schaufeldampfer stromabwärts bis Dawson City, das an der Mündung des Klondike in den Yukon liegt. 100'000 Leute waren bis Skagway gelangt, viele gaben am Chilkoot Pass auf. 30'000 gelangten im Frühsommer 1898 nach Dawson City, viele zu spät, weil die Claims (abgesteckte Grabgebiete) bereits vergeben waren.
Einer dieser waghalsigen Raubeiner und Abenteurer war der damals 21jährige Jack London (eigentlich John Griffith), der mit einem selbstgebauten Floss den Yukon hinunterfuhr. Er kam allerdings vorerst nicht bis Dawson City, da der Yukon bei der Mündung des Stewart River, also etwa 100 km vor dem Ziel, zufror. In einer verlassenen Trapperhütte verbrachte Jack London zusammen mit drei weiteren Raubeinen den harten Winter bei Temperaturen bis -60 Grad. Trapper und Indianer kamen manchmal zu dieser Hütte, und in den langen Winternächten erzählten sie von ihren Erlebnissen. Die Begegnung mit diesen Leuten lieferte Jack London den Stoff seiner Erzählungen, deren berühmteste wohl ‚The Call of the Wild’ ist.
Innert Jahresfrist wurde die Landschaft am Klondike von den 30'000 Stampeders vollständig verändert: eine Stadt war entstanden, die Wälder im grossen Umkreis abgeholzt. Man benötigte das Holz für den Hausbau, für das Kochen und Heizen, für Geräte zum Goldgraben, Abteufen der Schächte usw. Sehr bald musste das Gold aus der Tiefe über dem Felsboden (Placer Gold) geholt werden. Dazu grub man Schächte aus. Weil der Boden auch im Sommer gefroren war, wurde Feuer gelegt. Als das Holz zur Neige ging, arbeitete man mit Dampf. Bald wurde auch eine 51 km lange Bahnlinie gebaut. Doch der Goldrausch löste sich bald in Rauch auf. Nur mit grossen Maschinen konnte ergiebig geschürft werden. Immerhin wurde hier bis 1966 Gold im Wert von 300 Mio kanadischen Dollars gefördert. Heute türmen sich die Steinhalden kilometerweit durch das ganze Tal.
Um den beschwerlichen Aufstieg auf den Chilkoot Pass zu erleichtern, wurde eine Dampfseilbahn eingerichtet. Bereits 1898 baute man eine Bahnverbindung von Skagway über den White Pass nach Carcross und später weiter bis Whitehorse. Der Bau dieser Schmalspurbahn beanspruchte knapp ein Jahr! Wir werden die imposante Bergstrecke von Skagway zum White Pass am 10. August befahren. Bericht folgt.
Die Bahngesellschaft White Pass & Yukon Railway wurde verpflichtet, ab Whitehorse bis Dawson City eine ganzjährig befahrbare Strasse zu bauen und zu unterhalten. Für diese 540 km lange Strecke benötigte man fünf Tage. Die Pferde wurden jeweils spätestens nach 50 km gewechselt. Im Winter befuhr man die Strecke mit dem Schlitten. Die alte Strasse und einige Stationen sehen wir auf unserer Fahrt.

Wir fahren natürlich etwas schneller als die Pferdefuhrwerke und benötigen für die Fahrt von Whitehorse nach Dawson City vier Tage. Da wenig Verkehr herrscht, fahren wir gemächlich und machen sogar einen Abstecher auf dem Silver Trail nach Mayo. Diese Fahrweise lohnt sich. An einem Morgen sehen wir ein Tier langsam die Strasse überqueren. Wir halten an. Es ist ein kanadischer Luchs. Er steigt fünf Meter die Böschung rechts hinauf, wartet, dreht sich um, faucht, blickt dann zurück und verschwindet, wahrscheinlich weil er die beiden Wagen, die uns nun überholen, gesehen hat. Eine Sensation!
Auf dem Silver Trail, wo sich buchstäblich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, sehen wir nicht nur diese beiden Tiere - vermutlich haben sie sich soeben guten Morgen gesagt -, sondern auch eine Bärenfamilie. Zuerst sehen wir nur ein Junges. Wiederum halten wir an und sehen neben der Strasse eine Bärenmutter mit zwei braunen Jungen, die etwa zweijährig sein dürften. Wir sind hell begeistert und vergessen, wie schon beim Luchs, den Fotoapparat zu zücken. Doch diese Erlebnisse werden wir auch ohne Foto in Erinnerung behalten.

Wir fahren auch durch riesige Waldbrandgebiete. Die Unachtsamkeit von Campern - über die Manie des Campfire haben wir bereits berichtet - hatte 1998 ein Grossfeuer ausgelöst, das erst im folgenden Jahr vollständig gelöscht war. Selbst im frostigen Winter mottete das Feuer im tiefen torfartigen Boden weiter. Das Feuer selber ist zwar für eine gesunde Vegetation nötig und wird normalerweise durch Blitzschlag ausgelöst. Weitaus häufiger aber entstehen Brände aus Unachtsamkeit. Nach dem Brand erscheinen zuerst die Fireweed (Weideröschen), dann Willows (Weiden), Aspen (Zitterpappeln, populus tremuloides) und Balsam Poplar (Populus balsamifera - wir sind froh um den Dictionnary im Dock unseres Powerbook!). Erst 150 bis 300 Jahre später haben dann Nadelbäume die Laubbäume verdrängt und der Landschaft die ursprüngliche Vegetation zurückgegeben. Soeben lesen wir, dass es in Alaska jedes Jahr 600 Waldbrände gibt; 400 davon werden von Menschen ausgelöst!

Vor Dawson City gibt es eine Baustelle. Auf einer Länge von über 20 km fahren wir - gottlob weitgehend ohne Gegenverkehr - auf meist nasser Naturstrasse. Wir können zwar meistens zügig fahren, bis 80 km/Std., doch unser Wagen erhält bis auf die Höhe von 1 m eine braune Patina. Die letzten paar Kilometer umsäumen ausgedehnte Steinhalden die Strasse - Reste der Goldgräber.



IN DAWSON CITY
Das Museum zeigt uns in vielen Details das Leben der Goldgräber. Wir fühlen uns ins Jahr 1898 zurückversetzt. Die vielen zum Kauf angebotenen Bücher über das Leben vor 100 Jahren, das Schicksal der Goldgräber, Biographien von hart arbeitenden Frauen interessieren uns sehr, doch die Nächte sind viel zu kurz zum Lesen, und unser Fluggepäck wird auf insgesamt 92 kg beschränkt sein. Wir sehen uns einen packenden Dokumentarfilm über das Leben in Dawson City an.
Da der Yukon hier sehr breit ist und die Strasse praktisch nur dem Tourismus dient, verzichtete man auf den Bau einer Brücke. Eine Fähre transportiert auch grosse Wagen Tag und Nacht unentgeltlich auf die andere Seite des Flusses.



UEBER DEN TOP OF THE WORLD HIGHWAY NACH ALASKA
Die Fahrt von Dawson City nach Alaska führt über eine Strasse, die diesen Namen verdient. Die Strecke führt nicht in einem Tal einem Fluss entlang, was topographisch recht aufwändig wäre, sondern als Höhenweg auf den Bergkämmen. So könnten wir auf dem ‚top’ die Aussicht auf Berge und Flusstäler geniessen. Könnten wir, wenn da nicht die holperige Strasse wäre. Von den 175 km bis Chicken (Alaska) sind gute 150 km Naturstrasse, mit Wellblechrillen, Schlaglöchern, losem Kies. Dank dem Regen in der vorhergehenden Nacht hält sich der Staub in Grenzen. Und da praktisch kein Gegenverkehr herrscht, müssen wir diesmal kein Glas ersetzen.
In Chicken, mit 36 Einwohnern die erste Ortschaft in Alaska, offensichtlich ohne Wasser und ohne Telefon, übernachten wir wieder in den USA. Urs macht sich gleich ans Gold Waschen. Der überraschende Erfolg ist fotographisch dokumentiert.


DIE KARBUHERDE AM FORTYMILE RIVER
Seit Dawson City sind wir im Einzugsgebiet eines Nebenflusses des Yukon, des Fortymile River, der wegen seiner Karibuherde (Fortymile caribou herd) bekannt geworden ist. Noch um 1920 bestand diese Herde aus über einer halben Million Tiere, die hier in einem weiten Gebiet der Tundra lebten. Im April zogen sie jeweils Hunderte von Meilen westwärts, wo die Weibchen kalbten, um dann gleich mit ihren Jungen weiter zu ziehen. Ein Kalb kann 24 Stunden nach seiner Geburt bereits mit der Herde mithalten. Im Sommer zogen sie in die Berge, um den lästigen Mücken und anderen Parasiten zu entkommen. Beim Überqueren der eiskalten Flüsse ertranken manche, andere wurde eine Beute der Wölfe - ein Wolf reisst etwa 20 Karibus pro Jahr -, ferner der Indianer, welche praktisch alle Teile dieses Wildes verwendeten, aber leider auch des Weissen, der innert weniger Jahrzehnte das Karibu beinahe ausrottete. 1920 gab es gerade noch 6'500 Karibus. Da die Wölfe ihre wichtigste Nahrungsgrundlage verloren, verhungerten sie oder rissen vermehrt Elche. Somit hat der Weisse neben dem Karibu indirekt auch den Wolf und den Elch dezimiert. Aber auch die Anzahl von Vielfrass, Kojote, Fuchs, Rabe und anderer Vögel, die von den Aasresten der Karibus und Elche lebten, ging stark zurück. Dank besonderer Schutzmassnahmen stieg die Population der Karibu 1990 wieder auf 23'000 und dürfte heute gegen 40'000 stark sein. Das Problem ist mit Jagdverbot aber noch nicht gelöst. Die ausgedehnten Waldbrände nehmen den Karibus ihrerseits die Hauptnahrungsgrundlage, die Flechten. Wir mögen die im Jahre 2004 durch einen verheerenden Waldbrand zerstörten Wälder auf beiden Seiten des Taylor Highway nicht mehr ansehen und sind froh, endlich wieder gesunde Wälder zu erblicken.

Die Weiterfahrt über Tok nach Fairbanks gestaltet sich einfacher. Trotzdem nehmen wir uns dafür drei Tage Zeit und treffen erst am Mittwoch, 12.7., in Fairbanks ein. Unterwegs finden wir in Delta Junction, am offiziellen Ende des Alaska Highway, einen Internetanschluss und können somit diese Nachricht veröffentlichen.

Ab Freitag werden wir im Denali NP am Fusse des Mt. McKinley sein. Wenn uns die Wölfe und Grizzlys verschonen, wird in acht bis zehn Tagen ein neuer Bericht folgen.

Monday, July 03, 2006

VOM CARIBOO HIGHWAY ZUM ALASKA HIGHWAY


Von Quesnel fahren wir auf der #97 weiter, die über Dawson Creek bis Watson Lake führt. Ab Dawson Creek wird sie heute allerdings Alaska Highway genannt. Wir lassen Dawson Creek jedoch rechts liegen, fahren auf der # 29 von Chetwyn über Hudson’s Hope (Bennett Dam) nach Fort St. John und gelangen so auf kürzerem Weg auf den Alaska Highway.

Am Südufer des McLeod Lake finden wir einen schönen Platz direkt am Seeufer. Nur noch ein älteres Ehepaar ist da. Wir geniessen die Ruhe und beobachten den See. Ein Bald Eagle fliegt neben uns eine Runde, nur 10 m entfernt! Esther beobachtet von ihrem Fenster aus das Treiben mehrerer Biber. Ein Kolibri sitzt in der Nähe auf einem Ast. Es wird absolut windstill. Der See ist spiegelglatt, und weil er dunkel ist, spiegelt sich der Abendhimmel zu fast 100%. Leider vermag auch das Campfire die Mücken nicht zu vertreiben.
Am Morgen ist es recht kühl, und der See hat leichte Wellen. In der Ferne sehen wir eine Elchkuh beim Grasen. Ein Golden Eagle badet am Ufer. Intensiv schüttelt er seine Flügel im Wasser und fliegt dann davon. Auf einem Ast sitzt der Bald Eagle, den wir am Vorabend beobachtet haben.

Am Cameron Lake übernachten wir an einem kleinen einfachen Campground. Die Lage ist wunderbar. Wir sind fast allein. Die Sonne scheint warm, wir können das Bettzeug an der Sonne aufwärmen. Ich schwimme im See, wir lesen am Ufer und beobachten Biber, die mit einem hörbaren Schwanzschlag abtauchen, sehen Fische aufspringen und nach Fliegen schnappen. Mücken hat es offenbar keine. Doch geradeso lästig sind die Nachbarn, die draussen sitzen, Besuch haben und bis nach Mitternacht das Radio laufen lassen und quatschen.

Wir fahren nun einsam auf der # 29. Ein Kojote steht am Strassenrand. Er will offenbar die Strasse überqueren. Wir halten am rechten Strassenrand. Er beobachtet uns - wir ihn. Endlich entschliesst er sich, hinüberzugehen. Drüben bleibt er stehen, schaut uns wieder an, macht ein paar Schritte, schaut dabei aber immer zurück. Dann bleibt er stehen, geht hinter einem Hügel weiter. Wir fahren etwas weiter, sehen ihn hinter dem Hügel wieder hervorkommen und die Strasse überqueren. Am Strassenrand geht er weiter, nicht ohne sich dauern umzuschauen, markiert sein Revier und verschwindet schliesslich im Gebüsch.

Ab Hudson’s Hope fahren wir zum Bennett Dam, wo wir um 10.30 Uhr eine Führung im W.A.C. Bennett Dam teilnehmen. Mit einem Bus fahren wir in die unterirdische Kraftwerkanlage und sehen dort den Raum mit den zehn 80 Tonnen schweren Turbinen sowie den Raum, wo das Wasser aus den Turbinen abgeführt wird. Dieses Wasser hat dort eine Temperatur von nur 1.5°. Der Damm selber, dessen Kern aus Sand und dessen Mantel aus dem Material einer 5 km entfernten Moräne besteht, ist über 2 km lang. Der Sandkern ist wassergesättigt und verleiht dem Damm Stabilität. Der Stausee hat eine Länge von 350 km. Die Fische verlassen den See durch die Turbinen! 10% bezahlen diese Schwindel erregende Karussellfahrt offenbar mit dem Leben. Die anderen sind nachher derart verwirrt oder betäubt, dass sie im Peace River eine leichte Beute der Raubvögel werden. Das Kraftwerk erbringt eine Spitzenleistung von 2.7 Mio KW und versorgt einen grossen Teil von BC mit Energie. Starkstromleitungen führen bis nach Vancouver.


BEGEGNUNG MIT ELCHEN
Wir fahren auf dem Alaska Highway. Aus grösserer Distanz meine ich einen dunkel gekleideten Mann mit Hund zu sehen. Nicht unmöglich, schliesslich haben wir auch einen Radfahrer überholt. Doch dann fällt mir die merkwürdig wankende Gangart dieser Wanderer auf. Schliesslich entpuppen sie sich als Elchkuh mit Jungem. Wir verlangsamen unsere Fahrt. Die Elche trotten dem Strassenrand entlang und verschwinden dann im Gebüsch. Am nächsten Tag meine ich im Fluss neben der Strasse einen Kanufahrer zu sehen. Es ist jedoch eine Elchkuh, die den Fluss durchschwimmt. Wir verlangsamen die Fahrt und halten kurz vor der Stelle an, wo die Elchkuh die Böschung heraufkommt. Tatsächlich: Fünf Meter vor uns kommt sie triefend herauf, glotzt uns verständnislos an und trottet dann in ihrer schlaksigen Gangart weiter. Schon in Caesars Bellum Gallicum steht geschrieben (aber nicht von Caesars Hand), dass Elche im wahrsten Sinn des Wortes ungelenke Tiere seien. Weil sie keine Knie hätten, könnten sie sich zum Schlafen nicht niederlegen, sondern lehnten sich an einen Baum. Um den Elch zu jagen, hätten die alten Germanen die ‚Schlafbäume’ leicht angesägt. Wenn sich dann ein Elch an den Baum gelehnt habe, sei er zusammen mit dem Baum umgefallen und konnte leicht gefangen werden.
Da fällt mir auch die amüsante Beschreibung von Bill Bryson (Streiflichter aus Amerika, Goldmann) ein:
“Der Elch ist die kurioseste, rührend hilfloseste Kreatur, die je in freier Wildbahn gelebt hat! Er ist zwar riesig – so gross wie ein Pferd -, aber wahnsinnig ungelenk. Ein Elch läuft, als wisse das linke Bein nicht, was das rechte tue. Selbst sein Geweih macht nichts her. Andere Viecher lassen sich Geweihe mit spitzen Enden wachsen, die im Profil prächtig aussehen und dem Feind Respekt abnötigen. Der Elch dagegen trabt mit einem Geweih durch die Gegend, das wie ein Handschuh-Topflappen aussieht. Vor allem aber zeichnet das Tier ein beinahe grenzenloser Mangel an Intelligenz aus. Wenn Sie einen Highway entlangfahren und ein Elch aus dem Wald tritt, blinzelt er Sie eine ganze Minute lang an und rennt dann urplötzlich vor Ihnen weg, aber die Fahrbahn entlang. Die Beine fliegen gleichzeitig in acht verschiedene Richtungen.“


AUF DEM ALCAN (= Kanadischer Teil des Alaska Highway)
Seit Fort St. John stossen wir auf den Alaska Highway, dem wir nun die nächsten 1400 km (bis Whitehorse) folgen. Bis Fort Nelson bildet er ein 60 m breites Band durch den unendlichen Wald. Je weiter wir fahren, desto abwechslungsreicher wird die Strecke. Wir überqueren reissende Flüsse, fahren tiefblauen Seen entlang, sehen noch mit Schnee bedeckte Berge - und dies über 1400 km!
Der Alaska Highway wurde 1942 innert einem halben Jahr erbaut, war aber vorerst nur mit Raupenfahrzeugen befahrbar. Die japanische Bedrohung gab den USA endlich den mehr oder weniger begründeten Vorwand zum Bau, dem sich Kanada nicht widersetzen konnte. Die Länge betrug 2288 km (von Dawson Creek bis Delta Junction). Das heutige neue Trassee ist rund 60 km kürzer, vom alten sehen wir immer wieder Spuren. Wir denken fast an die Spuren der 2000 Jahr alten Römerstrassen.
Die ersten zwei Tage fahren wir je 300 km. Man kann problemlos 100 km/Std fahren, da die breite Schneise eine Sicherheit gibt. Dann nehmen wir es gemütlich. Es hat wenig Verkehr und wir können an vielen Stellen halten. Wir haben noch 14 Tage Zeit für die restlichen 1600 km! Fast überholen uns noch die Velofahrer, von denen wir einige Unentwegte antreffen. Unweigerlich denken wir an den Film ‚Ein verrücktes Paar’ (mit Jack Lemmon und Walter Matthau).
Auf unseren kurzen Wanderungen sehen wir manche Blumen, unter vielen anderen den weissen und den gelben Frauenschuh.
Auch Tiere sehen wir: zuerst überfahrene, dann gottlob nur noch lebende: Hirsche, Elche, Cariboos, Schwarzbären, Bisons, Dallschafe und natürlich auch Mücken. Die Front des Autos ist übersät mit toten Insekten, leider auch mit ein paar grossen Schwalbenschwänzen.
Ein Loon, ein hervorragender Taucher, rast im Summit Lake wie ein Turbo mit kräftigen Flügelschlägen einem Fisch nach.
Das Wetter spielt verrückt: Bei Meile 47 (Fort St. John) ist es 32 Grad warm, nach 2 Tagen am Summit Pass (mit 1295 m höchster Punkt des Highways) 6 Grad kalt mit Regen und Graupelschauer. In Whitehorse wieder mehrere Tage über 30 Grad warm. Und die Sonne will einfach nicht untergehen. Es wird 23.15 Uhr.

AUSGESCHLOSSEN!!!
Am 28.6. geschieht, was wir immer befürchtet hatten, weil wir keinen Ersatzschlüssel haben: Wir haben uns selber ausgeschlossen. Bei einem Fotohalt steigen wir kurz aus, um Dallschafe zu fotografieren, und lassen den Zündschlüssel, an dem alle weiteren Schlüssel hängen, stecken und lassen nur eine Wagentür offen. Da schlägt der Wind die Tür zu - und wir bleiben draussen. Zu unserem Unglück war die Türverriegelung auf ‚lock’ gestellt, das heisst automatische Schliessung. Es ist kalt, ein bissiger Wind weht, wir beginnen zu frieren und haben nichts bei uns als den Fotoapparat und Esther’s Bauchtasche (die sie nur zum Schlafen ablegt!). Esther steht auf die Strasse und hält den nächsten Wagen an. Ein Ami hält sogleich an und bemüht sich mit einem Drahtbügel, der Scheibe entlang die Tür zu entriegeln - erfolglos. Er sei eben kein Autodieb gewesen, sondern FBI-Beamter. Es wird langsam ungemütlich. Ein weiterer Wagen hält und nimmt uns zur gottlob nur eine Meile entfernten Rocky Mountain Lodge mit, einer etwas heruntergekommenen Tankstelle, die nur noch von Motorradfahrern aufgesucht wird. Der Inhaber fährt mit uns zu unserem RV, schlägt ein kleines Fenster ein, welches in 1000 Stücke zersplittert und klebt eine Folie an (ohne allerdings den Schmutz unter dem Klebstreifen vorher zu entfernen). Wir müssen möglichst schnell ins 500 Meilen entfernte Whitehorse fahren, um die Scheibe zu reparieren.
Wir fahren los. Eine Stunde vor Watson Lake beginnt es zu regnen. Wir geraten in einen richtigen Wolkenbruch. Vorsichtshalber hatten wir kurz vorher, als wir das Unwetter nahen sahen, das Fenster zusätzlich mit Klebband isoliert. Doch der heftige Regen dringt durch, und Esther sitzt die letzte Fahrstunde auf ihrem Bett und ist damit beschäftigt, das hereindringende Wasser aufzuwischen.
In Watson Lake passe ich eine Styroporplatte von innen in den Fensterrahmen ein. Vor fast zwei Monaten hatte ich in Durango in einem Hobbymarkt Styropor erhalten, um für Esthers Bett einen Keil zu basteln. Die restliche Styroporplatte passt zufällig millimetergenau in den Fensterrahmen. Mit Klebband dichten wir ab. Nun sind wir für den grössten Tornado gewappnet.
Der nächste Tag ist jedoch sonnig. Wir kommen nach weiteren 500 km Fahrt in Whitehorse an, suchen - in allerletzter Minute - ein Verglasungsgeschäft auf und lassen als Zwischenlösung eine Plexiglasscheibe einsetzen. Wären wir 10 Minuten später eingetroffen, hätten wir bis Dienstag warten müssen. Am Samstag ist Canada Day, und da machen viele ein verlängertes Wochenende.
Esther verwaltet von jetzt an den Schlüssel des Himmelreiches, d.h. der RV-Türe.

Bald haben wir unser Pech vergessen. Weil wir innert zwei Tage 800 km fahren mussten, haben wir einige Tage Vorsprung auf unser Programm, und da das Wetter sommerlich warm ist, bleiben wir ein paar Tage im wunderschönen Whitehorse und Umgebung. Die Gegend gefällt uns sehr: der reissende Yukon, die duftenden Wildrosen auf dem langen Uferweg, die noch schneebedeckten Berggipfel, die wärmende Sonne, die erst um 23.15 Uhr untergeht und uns vom Zubettgehen abhält.
Wir fahren auf der Südstrecke des Klondyke Highway, bestaunen den türkisfarbenen Emerald Lake, wandern durch die kleinste Wüste, die Carcross Desert, besichtigen das Städtchen Carcross, Endpunkt der heutigen White Pass & Yukon Railway und des legendären Chilkoot Pass Trail, bewundern den Atlin Lake usw....
Nun aber will ich schliessen, sonst schluckt Herr Blog den langen Bericht nicht. Wir melden uns vielleicht in Dawson City oder dann sicher in Alaska wieder zurück.