ursundestherunterwegs

Monday, July 24, 2006

Von Fairbanks nach Anchorage


ALASKA
Wussten Sie, dass Alaska vierzigmal grösser ist und zehnmal weniger Einwohner hat als die Schweiz? Bei gleicher Bevölkerungsdichte dürfte die Schweiz nur 17'500 Einwohner zählen, d.h. weniger als die Stadt Solothurn.
Alaska hat mehr als die Hälfte der Gletschermasse der gesamten Welt. Die Küstenlänge beträgt 53'000 km, d.h. mehr als der Erdumfang.
Warum essen die Leute hier Glace im Winter? Um sich aufzuwärmen! Die Aussentemperatur beträgt -50° Celsius, die Glace ist -15° warm; man rechne!

Am Donnerstag, 13.7., haben wir unsere Schwester und Schwägerin Brigitte am Flughafen Fairbanks abgeholt. Sie wird fast drei Wochen mit uns zusammen in Alaska verbringen. Am nächsten Tag sind wir in den Denali National Park (NP) gefahren.

DER MIT DEN WOELFEN HEULT
Vier Nächte verbringen wir im Denali NP, und zwar so weit im Park drinnen, wie Wohnmobile zugelassen sind. Den Platz haben wir bereits im Februar reserviert. Wir müssen zwar ohne die Segnungen der Zivilisation, wie Wasser, Strom, öffentliche Spültoiletten und Dusche auskommen und sind auf die wenigen Gallonen Wasser in unserem Tank angewiesen. Dafür beschert uns die Abgeschiedenheit ein paar unvergessliche Erlebnisse.
Mit einem offiziellen Bus, einem alten klapperigen Schulbus, fahren wir zweimal bis Wonder Lake und zurück, d.h. jeweils 175 km auf Naturstrassen. Die Tagesfahrt dauert - inkl. Halt - neun Stunden. Doch sie ist kurzweilig: die Weite der Landschaft, die unendlich weiten und breiten, von Kiesbänken durchzogenen Flusstäler, die in allen Mineralfarbtönen schimmernden Berge, das abwechslungsreiche Grün von Tundra und Taiga, die Gletscherzungen, die von Schutt bedeckt und am Ende von Gras überwachsen sind, die kleinen Moorteiche, in denen Biber ihre Burg bauen, Enten sich tummeln und über denen Kurzohreulen nach Beute spähend ihre Kreise ziehen, bannen stets unseren Blick. Am meisten gespannt sind wir natürlich auf Tierbegegnungen.
Auf der zweiten Tagesfahrt haben wir eine hervorragende Buschauffeurin, die von Beruf Schulbus fährt und offenbar gewohnt ist, mit Kindern wie Erwachsenen umzugehen. Sie gibt uns zahlreiche Informationen, fährt zügig und sieht Bären auf eine Distanz von einem Kilometer. Wenn sie etwas sieht, müssen wir noch während der Fahrt die Fenster öffnen, uns ruhig verhalten, nicht reden, nicht zum Fenster hinauslehnen etc. Die Fenster dürfen wir erst wieder „zuschletzen“, wenn der Bus angefahren ist und das Geräusch vom Motorenlärm übertönt wird. Wir gehorchen ihr brav, weil wir ja etwas erleben wollen. Das Einhalten dieser Weisungen beschert uns die schönsten Beobachtungen. Wir fahren bis zum Wonder Lake und zurück. Das Wetter ist schöner als die beiden Tage zuvor, und die lange Fahrt lohnt sich diesmal. An verschiedenen Stellen sehen wir Bären, einmal zwei aus nur etwa 150 m Distanz. Auch einen Elch können wir beim Äsen in der sumpfigen Tundra beobachten.

Das schönste Erlebnis sind aber die Wölfe. Kurz nach Toklat River kommen uns drei Wölfe auf der Strasse entgegen. Ein Bus hat vor uns bereits gehalten. Der graue Wolf verschwindet wieder, doch ein schwarzer Wolf und eine weisse Wölfin, das Alphatier, das im Frühsommer geworfen hat, gehen gemächlich und nahe an unserem Bus vorbei. Wir verhalten uns absolut ruhig, haben die Fenster geöffnet, lehnen uns aber nicht hinaus! Die Wölfe zögern, weil ein Bus hinter uns gehalten hat, aus dessen Fenstern die Leute sich hinauslehnen. Die weisse Wölfin setzt sich wie ein artiges Hündchen ins Gras, der schwarze kratzt sich im Gebüsch.

Dann gehen beide langsam wieder zurück, mustern den Bus, bleiben vor uns auf der Strasse stehen und beginnen zu heulen, wobei stets die Wölfin das Geheul anstimmt, in das der Wolf brav einfällt. Wir 40 Touristen hören atemlos zu. Den Ton können wir mit der Digitalkamera festhalten. Nach dieser - unbezahlbaren! - Vorstellung ziehen die Wölfe sich zurück. Sie waren, wie uns später berichtet wird, auf der Suche nach einem jungen Karibu. Vielleicht sind die beiden die Eltern der sechs Welpen (vier schwarze, zwei weisse), die wir auf der Rückfahrt im Flussbett beobachten können. Dort spielen sie und balgen sich, wie es sich für junge Wölfe gehört. Zum Abschluss spaziert noch eine Willow Ptarmigan-Familie (Rebhuhn) aus dem Gebüsch heraus auf die Strasse: Eltern und vier Junge.



FAHRT INS MAT-SU VALLEY (nördlich von Anchorage)
Vor unserer Wegfahrt aus dem Denali NP besichtigen wir eingehend das eben erst eröffnete Visitor Center beim Parkeingang, das natürlich grossartig gemacht ist. Die Ausstellung gewährt vor allem Einblick in die Welt und Problematik der Tiere, die wir in den vergangenen Tagen beobachten konnten.
Dann fahren wir um vier Uhr los. Die Fahrt führt vorerst dem Nenana River, nach Überquerung des Broad Pass (701 m) dem Chulitna River entlang, führt abwechslungsweise durch Tundra und Taiga, stets dem Ostrand der Alaska Range entlang. Gegen sechs Uhr treffen wir auf dem Denali Viewpoint North ein, ein grosser Parkplatz über der Flussebene des Chulitna mit Schautafeln und Ausblick auf die Alaska Range. Der Denali (Mount McKinley) zeigt sich erst am Abend teilweise aus den Wolken.
Am nächsten Morgen machen wir bereits nach einer halben Stunde Halt am neu eingerichteten Denali Viewpoint South, wo wir einen Kaffeehalt einschalten. Der Denali und die umliegenden Berge zeigen sich nun wunderbar, ein bisschen von Wolken umgeben. Ein kurzer Weg führt auf eine Anhöhe, von der aus auch das Flusstal des Chulitna sowie der mächtige Ruth Glacier gut zu sehen sind.
Am Kashwitna Lake machen wir einen kurzen Halt und geniessen den Blick auf die ruhige Oberfläche, auf der sich der Wald und die Berge spiegeln. In Houston essen wir im kleinen Restaurant auf der Terrasse mit Blick auf einen kleinen See. Die Vegetationsflecken auf der Wiese stammen von den Elchen, die hier bis zum Frühjahr die Nacht verbrachten.
Im Homestead RV Park bei Palmer nehmen wir Quartier für drei Nächte.



ANCHORAGE
In der Downtown von Anchorage suchen wir lange nach einem geeigneten Parkplatz. Wir müssen belegen und bezahlen zwei, was, wie es sich später herausstellt, richtig ist. Denn beim grossen Parkplatz am Bahnhof, wo wir schliesslich längere Zeit parkieren, stellen wir am Abend fest, dass drei Camper, die zwei, drei oder sogar nur noch ein paar Zentimeter eines weiteren Parkplatzes belegt und nur einen bezahlt hatten, bis drei Strafzettel unter der Windschutzscheibe hatten.
Dreieinhalb Stunden widmen wir dem höchst interessanten Anchorage Museum of History and Art. Wir bestaunen Gemälde, u.a. des Laienmissionars und Malers Eustace Paul Ziegler, eine Vielzahl von aus den Zähnen des Walrosses geschnitzten Kunstgegenständen, die temporären Ausstellungen über Vögel (Eulen, Adler, Habichte, Falken). Uns interessiert aber vor allem das obere Stockwerk: Geschichte Alaskas. Erste Besiedlung via Beringstrasse, Lebensweise der Einheimischen, Entdeckungsfahrten der Russen und Westeuropäer, Leben der Goldgräber, Bau der Eisenbahn, der Pipeline etc. Naturgetreue Behausungen aus Holz oder aus Fellen mit den Menschen in der damaligen Bekleidung mit allen möglichen Werkzeugen und Einrichtungsgegenständen macht uns die Vergangenheit lebendig.


IN DER GARAGE
Auch ein RV braucht gelegentlich eine Revision. Nach 9'000 Meilen Fahrt ist ein grösserer Service fällig. Wir haben ihn in einer Garage in Eagle River vor ein paar Wochen angemeldet. Während dieser Arbeit sind wir natürlich ‚heimatlos’, d.h. wir sind ausgeschlossen und warten einfach irgendwo, bis der Wagen wieder reisefertig ist. Wir rechneten mit einer Wartezeit von 2 Stunden. Doch wir werden gleich informiert, dass es schon bis 11 Uhr dauere. Wir gehen einkaufen und bummeln und treffen um 11.30 in der Garage wieder ein, um den RV in Empfang zu nehmen. Da wartet auf uns eine böse Ueberraschung: von den Bremsbelägen der Vorderbremsen seien nur noch 20 % vorhanden, das genüge nicht bis Kalifornien. Wir werden auf 16 Uhr vertröstet; die Bremsbeläge träfen erst am frühen Nachmittag ein. Wir gehen essen und kommen wieder zurück und sprechen mit dem Mechaniker: Die Bremsbeläge halten normalerweise 25'000 - 30'000 Meilen; d.h. bei der Uebernahme seien die Beläge bereits recht abgefahren gewesen. Wir sind verärgert, weil wir uns verschaukelt fühlen und weil wir einen ganzen Tag verlieren. Wir machen einen Spaziergang durch den Ort, betrachten die Häuser und Gärten, kaufen uns rasch entschlossen ein Haus - offenbar haben wir das getan, wie das Namensschild auf der Foto zeigt - und kommen um 15 Uhr zurück, sitzen im Office, lesen, suchen die aufgelegten Zeitschriften fieberhaft nach Sudokus durch, trinken Kaffee und schauen immer wieder betont auf unsere Uhren. Erst um 17 Uhr ist alles erledigt. Wir bezahlen die Rechnung mit geschlossenen Augen und fahren zurück.


WANDERUNG MIT CORINA
Corina, die Tochter einer Freundin Esthers, lebt seit 14 Jahren in Alaska. Am Samstag, 22.7. holt sie uns mit ihrer Kollegin Nina, einer Hauswirtschaftslehrerin von Sils i.D., die ihre Ferien in Alaska verbringt, auf dem Campground ab. Mit dabei ist Corinas quicklebendiges Hündchen Tobi, das während der Autofahrt wegen Platzmangels vorübergehend zum Schosshündchen wird. Wir fahren mit ihnen zum Hatcher Pass, wo wir mit einer Gruppe von einem Dutzend Leuten eine kleine Wanderung auf einen Berg unternehmen. Das Wetter hellt langsam auf, und wir haben doch einen schönen Blick auf die umliegenden Berge, die sehr an das Engadin erinnern, im Süden auf das Tal des Knik River und im Osten auf das Tal des Matanuska River. Doch gibt es hier weder Kühe noch Schafe! Wie wir wieder unten ankommen, ist Tobi, der dauernd den Berg auf und runter gerannt ist, nicht da. Esther macht ihn mit dem Feldstecher auf dem Gipfel des Berges aus. Tobi ist uns untreu geworden und anderen Leuten gefolgt. Corina bleibt nichts anderes übrig, als die Tour nochmals zu machen - wie es ihr Hündchen vorgemacht hat! Gottlob sind es lediglich 280 Höhenmeter. Schliesslich ist die ganze Familie wieder vereint. Auf der Rückfahrt zeigt uns Corina ihr neu erworbenes, schmuckes, von Wäldern umgebenes Haus und lädt uns zum Kaffee ein. Den schönen Tag beschliessen wir mit einem frühen Nachtessen in einem indonesischen Restaurant. Am Sonntag fliegt Corina mit Nina nach Katmai, um die Bären beim Lachsfischen zu beobachten, und wir werden über Anchorage zur Halbinsel Kenai fahren, wo wir uns acht Tage lang aufhalten werden.

P.S. Da „Mr. Blog“ am Sonntag in einem Internetcafé noch nicht bereit war, unseren Bericht zu veröffentlichen, erscheint er nun etwas verspätet aus Seward.

1 Comments:

At 4:49 AM, Anonymous Anonymous said...

Liebe Esther, lieber Urs
Mit grosser Begeisterung lesen wir alle eure Abenteuer und möchten euch ganz herzlich danken für die grosse Mühe, die ihr euch gebt, um all diese sehr interessanten Berichte zu verfassen. Ganz toll finden wir es, dass kurz vor unserer Abreise (am 28.7.)noch die Eindrücke aus Alaska im Internet erschienen. In der Schweiz ist es nun bereits seit ca. 50 Tagen sehr heiss und wir sind froh, in hoffentlich etwas kühlere Gegenden verreisen zu können. Auf ärztlichen Rat haben wir uns einen Top-Antimoskito-Spray verschreiben lassen, sodass wir vielleicht ohne die modischen Netze, die ihr uns vorgeführt habt, leben können. Ueber entsprechende Erfolge werden wir Ende August berichten können. Nun wünschen wir euch eine gute Weiterreise mit dem teuer überholten Wagen und freuen uns auf einen Erfahrunsaustausch im Herbst.
Mit lieben Grüssen
Marliese und WErner

 

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