ursundestherunterwegs

Tuesday, September 19, 2006

VON OREGON NACH KALIFORNIEN


Als wir am 22. Mai am Südeingang des Lassen Volcanic NP vor geschlossenen Barrieren standen, mussten wir unsere Reiseroute wesentlich ändern. Die bis auf eine Höhe von 2600m führende Strassenverbindung nach Norden blieb wegen der grossen Schneemenge bis in den Juli geschlossen. Wir entschieden uns damals, der Pazifikküste entlang nach Kanada zu fahren und erst auf der Heimkehr von Alaska die beiden Nationalparks Crater Lake und Lassen Volcanic zu besuchen. Dieser Entschluss war gut! Wir konnten diese beiden Reisehöhepunkte bei fabelhaftem Wetter geniessen. Seit fünf Wochen haben wir Sommerwetter. Petrus hört nicht auf, uns zu verwöhnen.





CRATER LAKE NP
Seit Tagen befinden wir uns mitten in einem Vulkangebiet, das grösser als die Schweiz ist. Der Mount Mazama - auf der Karte wird man ihn vergeblich suchen, denn es gibt ihn nicht mehr! - hatte sich während einer halben Million Jahre aufgebaut. Vor etwa 7700 Jahren war der Schlund nach lang dauernder eruptiver Tätigkeit eingebrochen. Zuvor hatte er die 150fache Masse (150 km3) des Ausbruchmaterials des Mount Saint Helens herausgeschleudert (s. blog vom 7.6.). Der eingebrochene Krater - Durchmesser 10 km - füllte sich mit Schmelz- und Regenwasser und bildet nun einen See, der mit einer Tiefe von 593 m der tiefste See der USA ist. Der Seespiegel befindet sich auf 1882 müM und ist jährlichen Schwankungen von 90 cm unterworfen. Der Crater Lake erinnert uns sehr an Santorin.
Rings um diesen Krater führt auf 2100 - 2400 m Höhe eine Strasse (Rim Drive). Normalerweise ist der Rim Drive ab Mitte September wegen Schneefalls geschlossen. Das können wir uns heute kaum vorstellen. Bei Sommerwetter wandern wir in Teva-Sandalen, Shorts und ärmellosen T-shirts auf den höchsten Gipfel, den Mt. Scott (2721 m), von wo wir eine - leider durch Rauch etwas beeinträchtigte - Rundsicht geniessen.

Beeindruckend und zugleich bedrückend ist der Waldbrand auf der Südostflanke des Berges, der durch Blitzschlag im Juli ausgelöst wurde und seither nicht gelöscht werden konnte. Mehrere Dutzend Feuerwehrleute (Männer wie Frauen) und eine Unmenge Fahrzeuge stehen für den Notfall bereit. Es scheint fast so, dass das Feuer unter Kontrolle gehalten wird und man auf den Regen und Schnee hofft, der das Feuer zum Erlöschen bzw. Ersticken bringt. Leider ist die Sicht auf den See wegen der Rauchschwaden zeitweilig getrübt. Auf der Ostseite (Mt. Scott), die vom Rauch verschont bleibt, lässt sich das tiefe Blau des Sees bestaunen.
Der Wald im südlichen Oregon ist f...trocken. Ein feuriger Blick könnte einen Waldbrand entfesseln. Auf dem Campground haben zwei Frauen mit kleinen Kindern ein Feuer entfacht, das einem 1.August-Feuer alle Ehre macht. Sie werfen kreischend trockenes Material in die Flammen. Die Funken schlagen hoch in die Bäume. Wir haben den Zündschlüssel stecken lassen, um im Brandfall sofort abzufahren. Ein Wunder, dass der Rauchmelder im RV noch nicht Alarm gegeben hat.


LAVA BEDS
Am nächsten Tag überqueren wir die Grenze nach Kalifornien. In Tulelake entscheiden wir uns für den Besuch des Visitor Centers des Tule Lake NWR. Dann geht es weiter südwärts auf der #42. Vom Wildlife Overlook aus beobachten wir zahlreiche Wasservögel, v.a. Pelikane, Silberreiher und vermutlich einige Red-tailed Hawks. Auf der Fahrt sehen wir Mule Deers (eine Hirschart mit grossen ‘Eselsohren’), zweimal eine Mutter mit zwei Jungen, einmal ein Böcklein mit Dame. Sie trinken Wasser aus dem Kanal. Seit geraumer Zeit - mit Ausnahme einer Hirschkuh am Lava Lake - haben wir keine Hirsche mehr gesehen!
Wir kommen anschliessend ins Lava Beds NM, ein grosses Lavafeld südlich des Tule Lake. Während 100'000 Jahren haben sich hier aus immer wieder neuen Kratern Lavaströme in nördlicher Richtung ergossen. Da diese Ströme am Rand abkühlten, bildeten sie Röhren, in deren Innern die heisse Lava weiter floss. Kam der Strom zum Erliegen, ergaben sich lange Lavatunnels, von denen heute einige begehbar sind. Manche sind bis 10 Meter hoch und ebenso breit, einige doppelstöckig, andere überlagern sich. Über 100 km2 wurden zum National Monument erklärt. Zugleich wird der Modoc Indianer gedacht. Dieser grosse Stamm besiedelte einst ein ausgedehntes Gebiet um den Tule Lake. In den weiten Wäldern des Hinterlandes gab es für sie reichlich Jagdwild. Die weissen Siedler rodeten, drainierten die sumpfige Ebene, um Anbaugebiet zu gewinnen und drängten - mit Staatshilfe - die Modocs in den unwirtlichen Norden. Ein Teil dieser Indianer kehrte jedoch zurück und zog sich in die labyrinthartigen Lava Beds zurück. Das Militär zog mit 600 Mann, Kanonen und Mörsern gegen die 160 Modoc-Krieger heran. Fünf Monate während des harten Winters 1872/73 vermochten die Indianer ihre Lavafestung zu halten. Nur 4 Indianer verloren im Krieg ihr Leben. Weitere 15 wurden nach dem Friedensschluss gehängt - ein trauriges Kapitel in der Geschichte der USA. Mit Genugtuung nehmen wir zur Kenntnis, dass dieses Thema sehr ausgiebig und selbstkritisch aufgearbeitet wird.
Bei brennender Sonne gehen wir den 0.5 Meilen kurzen Trail bei Captain Jack’s Stronghold, dem Lava-Refugium der Indianer während des Krieges. Eine illustrierte Broschüre informiert uns über die Geschichte dieser Indianer, die wie bei jedem Stamm tragisch endete.

Auf der Weiterfahrt fahre ich über eine Schlange, vermutlich eine Klapperschlange. Erst im Rückspiegel sehe ich, dass sich die Linie, die ich für eine Asphaltkorrektur hielt, bewegt. Sie verschwindet aber gleich in der Strassenböschung. Ich bin froh, dass ich sie nicht überfahren, sondern ohne riskantes Manöver zwischen die Hinterachse ‘genommen’ habe.
In der Nacht hat es kurz geregnet. Am Morgen ist der Boden nass, trocknet aber sehr schnell. Die Sicht ist heute sehr klar. Wir sehen im Norden den Crater Lake. Es weht ein kühler Wind und das Thermometer steigt nicht über 20 Grad. Trotzdem brennt die Sonne, sobald es windstill ist.

Am Vormittag des nächsten Tages leihen wir uns im Visitor Center zwei mächtige Taschenlampen und kaufen die Broschüre ‘Lava Bed Caves’ mit der Beschreibung sämtlicher Lavahöhlen. Den ganzen Tag bis Sonnenuntergang begehen wir eine Höhle nach der anderen. Schön ist die Flora. Es gibt eine Art Holunderstrauch, der blassblaue Beeren, einen anderen Strauch der kleine, kirschenähnliche Früchte trägt, gelben Rabbitbrush und vieles mehr.
Bei der ‚Symbol Bridge’ sehen wir einige schöne Piktogramme, Symbolfelszeichnungen der Modoc, deren Bedeutung und Alter unbekannt sind. Der benachbarte ‚Skull Cave’ (man hat hier eine Unmenge von Tier-‚skulls’, Schädeln, gefunden), ein Teil eines 10 Meilen langen Systems, ist eine tiefe Höhle. Verschiedene Treppen führen in die Tiefe hinunter, wo das ganze Jahr Eis liegt. Das Geländer und der Boden sind von Eis bedeckt! Es ist entsprechend kalt; oben aber 30 Grad warm!
Die Abendstimmung ist wunderbar. Es hat fast keine Leute. Auch auf dem Campground ist es ruhig. Am nächsten Tag aber wird es kalt. Ein trockener, eisiger Wind bläst von Norden. Der Himmel bedeckt sich. Haben wir uns gestern noch vor der Sonne und der Hitze schützen müssen, schlottern wir heute bei 15 Grad und bissigem Wind! In der Nacht fiel das Thermometer auf den Gefrierpunkt.

LASSEN VOLCANIC NP
Der Tag beginnt wolkenlos, ein kühler Wind bläst, die Sonne brennt. Ein Tag, wie geschaffen, um einen Dreitausender zu besteigen. Die Besteigung des nur 27'000 jungen Vulkans, der letztmals 1915 ausgebrochen ist, ist recht einfach: 600 Höhenmeter vom Parkplatz, der auf 2600 m liegt. Gemäss Broschüre ‚Park News’ hat man mit 4-5 Stunden für Auf- und Abstieg zu rechnen. Wir alte Berghasen schaffen es in zweieinhalb Stunden. Je höher wir steigen, desto wärmer wird es. Die Nachmittagssonne brennt. Auf dem Kraterrand liegt noch recht viel Schnee. Die Rundsicht ist umwerfend: im Norden in 75 Meilen Entfernung der über 4200 m hohe Mt. Shasta, der höchste Vulkangipfel Kaliforniens, im Westen die Coast Range und im Süden die Ausläufer der Sierra Nevada. Und ringsum Wälder so weit das Auge reicht!
Am Abend suchen wir einen Campground in der Nähe, weil wir am nächsten Tag nochmals in den NP gehen wollen. Wir suchen einen Platz im Wald, nicht an einem See, weil dort übers Wochenende die Angler alle Plätze belegen. Wer sucht schon einen Platz im Wald? Natürlich die Jäger, die schon eine Woche lang hier ihre Jagderfolge mit Feuerwasser begiessen, bevor sie ein Wild gejagt haben. Immerhin: wir finden noch den allerletzten Platz. Und da es bald kühl wird, wird es ruhig. Alkohol schützt offenbar vor Kälte nicht.










RENO, VIRGINIA CITY, CARSON CITY
Obwohl wir nicht im Sinne haben, uns scheiden zu lassen, fahren wir nach Reno im Staat Nevada. Shopping ist angesagt! Die Fahrt aus dem waldreichen Gebirge in die karge, verdorrte Hochebene ist enttäuschend. Selbstverständlich nehmen wir zur Kenntnis, dass im trockenen und heissen Klima östlich der Cascade Range und der Sierra Nevada nicht der Artenreichtum und die Dichte der Wälder zu erwarten sind wie im Gebirge. Anderseits wissen wir nun, dass im Ausbeutungsgebiet der Bodenschätze der Wald seit Mitte 19. Jh. massiv gerodet wurde, ohne an Wiederaufforstung zu denken. Das wird leider meist verschwiegen. Die Luft ist zwar klar, die Sicht weit. Reno und Carson City jedoch liegen in einer Senke, über die sich eine Smogglocke ausbreitet. Das erstaunt nicht, wenn man die achtspurigen Autobahnen sieht, die sich quer über diese beiden Städte erstrecken.
Virginia City liegt auf fast 2000 m Höhe. Ringsum sind die Berge derart abgetragen, dass man meinen könnte, Maulwürfe hätten hier gewühlt.
Gerne fahren wir weiter Richtung Südwesten durch die Sierra Nevada. Diese wird- nur im Norden - von sechs Strassen durchquert: Von der Autobahn I-80, vom über 3000m hohen Tiogapass (den wir 2002 befahren haben), zwei weiteren Schnellstrassen und in der Mitte von der #88 und der #4. Am 20.5. waren wir die #88 in Richtung Lake Tahoe gefahren, für die Rückfahrt haben wir uns für die reizvolle #4 über den 2700m hohen Ebbett-Pass entschieden, die auf dem Plänchen nicht eingezeichnet ist. Nach etwa 20 Meilen Fahrt halten wir vor einer Tafel, welche die Durchfahrt für Fahrzeuge über 25 Fuss nicht empfiehlt. Die Strasse sei „steep and narrow“. Obwohl unser RV 26 Fuss lang ist, wagen wir die Fahrt - und es lohnt sich. Die Strecke ist landschaftlich reizvoll, die entgegenkommenden Autos können wir an einer Hand abzählen. Doch die Strasse ist tatsächlich kurvenreich, eng und steil. Sie gleicht eher einem asphaltierten Strässchen in unseren Alpen. Wir brauchen mehr Zeit für die Fahrt. Doch kurz bevor es dunkel wird, erreichen wir im Wald einen Campground.

Am nächsten Tag sind wir in Sonora und haben in der library wieder Internetanschluss. Dies ist vemutlich die letzte Nachricht, die wir aus Amerika versenden. Am Freitag sind wir in San Luis Obispo, werden den RV auf Hochglanz polieren. Am Montag, 25.9. fliegen wir zurück.

Sunday, September 10, 2006

VON OSOYOOS (CA, BC) IN DIE CASCADE RANGE (USA,WA und OR)

Heute sind wir soeben vom Crater Lake zurückgekehrt (Bericht folgt später). Mr. Blogger ist jetzt bereit, die Bilder zu veröffentlichen. Deshalb zuerst als Nachtrag von der Nachricht vom 30.8.: Karte des südlichen BC: Route vom 24.8.-1.9.2006
















OKANAGAN VALLEY
Der Crowsnest Hwy (Krähenneststrasse) führt uns durch dichte Wälder und über zwei Pässe, u.a. den Bonanza Pass auf 1535 m. Nach Grand Forks wird die Gegend kahl. Die Wälder wurden abgeholzt, vermutlich schon zur Zeit der miners. Die Gegend war reich an Erzen (Kupfer, Gold etc.), und es wurde sogar eine weitverzweigte Bahnlinie (Kettle Railway) gebaut, um das Erz zur Verhüttung zu transportieren. Das Gras ist verdorrt. In weiten Kehren geht es den von der Sonne verbrannten und verdorrten Abhang hinunter auf 300 m Höhe hinunter nach Osoyoos. Nur vereinzelt stehen Bäume, lichte Wälder sind auf der Gegenseite auszumachen. Doch die Aussicht von der Strasse auf den See, den Ort mit dem Damm und dem Spit ist wunderbar.
Im schönen Haynes Point State Park (SP), der sich zuäusserst auf dem Spit befindet, auf einer lang gestreckten schmalen Halbinsel à la Petersinsel, sind natürlich alle 41 Plätze vergeben, zu 95% an Kanadier, die schon wieder ein langes Wochenende feiern. Wir dürfen aber auf dem Parkplatz übernachten, was uns ausnehmend gefällt: ruhig, kein Campfire, Aussicht direkt auf den See. Wir geniessen das ca. 25° warme Badewasser. Der Manager bietet uns um 20 Uhr zwar noch einen Platz im Campground an, aber wir lehnen für heute Nacht dankend ab. Morgen werden wir einen Platz haben. Zweimal darf man übrigens nicht auf einem Overflow übernachten. In der Ferne sehen wir im Westen Waldbrände. Der Himmel verfärbt sich am Abend rötlich!
Auf der Halbinsel hat es einen kleinen Nature Trail, der ins Marschland führt. Zahlreiche Stare versammeln sich auf den Pappeln. Auch ein paar Wachteln sehen wir, einen blue heron und einen weissen Pelikan. Auf der kleinen Halbinsel wachsen auch viele Olivenbäume. Die Nacht ist absolut ruhig: keine Nachbarn, keine Musik, nur das Rufen einer Eule, das Zirpen der Grillen und das Plätschern des Wasser, dessen Wellen die Kieselsteine hin und her rollen.




DIE EINZIGE (und sehr kleine) WUESTE KANADAS
Dann besuchen wir die einzige Wüste Kanadas, die nur ein paar Hektare gross ist. Auf dem Boardwalk, einem Gehweg aus Holzplanken, haben wir in der Mittagshitze eine fast zweistündige Führung durch einen jungen engagierten Biologen. Wir sind froh um unseren schützenden Strohhut, den wir seit Mai in New Mexico nicht mehr benützt haben. Wir sehen verschiedene Gräser, u.a. das Wild Rye Grass, verschiedene Sagebrush (Salbei), u.a. das Antelope Sagebrush (Artemisia tridentata, ein Rosengewächs), das von Hirschen gefressen wird. Es haust auch ein weiblicher Dachs in der kleinen Wüste. Hin und wieder wird sie von einem männlichen Dachs besucht, der von Rock Creek eine gute Autostunde entfernt den Weg hierher findet. Eine Fliege, die mit ihrem Mundstachel Insekten aufspiessen und aussaugen kann, sehen wir. Dass sie es jetzt gerade macht, sehen wir nachträglich nur dank der Fotographie!


SUCHE NACH EINEM CAMPGROUND
Wir fahren auf der #97 südwärts dem Okanogan (so heisst er in den USA statt Okanagan) entlang weiter. Bei der Mündung in den von Osten her fliessenden Columbia River besuchen wir das Interpretive Center Fort Okanogan, ein Stützpunkt der Pelzhändler, die im Auftrag der Hudson Bay Company von hier aus den Handel den beiden Flüssen entlang kontrollieren konnten. Ein 75-jähriger Volunteer erklärt uns persönlich die einzelnen Objekte. Es wird sehr warm. Das Thermometer zeigt 91° F (= 33° C). Dann fahren wir bis Chelan, wo wir uns im Visitor Center nach dem Weg zum nächsten Campground erkundigen, müssen aber erfahren, dass alle staatlichen Plätze der Umgebung übers lange Wochenende ausgebucht sind. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als 25 Meilen zurück zu fahren und neben dem Alta Lake SP auf einem privaten Platz zu übernachen. Die Lage am kleinen See zwischen den Bergen ist zwar sehr schön, und wir sind neben drei Partien, die in Zelten übernachten, die einzigen Leute, doch die WC-Kabinen stinken gewaltig. Erst als es kühler wird und wir die Fenster schliessen, wird es erträglich. Es gibt hier offensichtlich auch einen Bootsverleih, wenigsten sehen wir eine Liste mit deftigen Preisen. Die Boote sind aber alle leck und morsch. Wir wären bei einer Bootsfahrt schlichtweg abgesoffen! Die Besitzer haben sich auf Ausritte zu Pferd spezialisiert und die Unterkünfte - auch die Cabins - recht vernachlässigt. Immerhin funktioniert der Strom, und der stinkt nicht!

Am nächsten Tag sind wir bereits zur Mittagszeit in Wenatchee und suchen einen Platz im State Park, der ein grosses mit schönen Bäumen bestandenes Areal an der Mündung des Wenatchee in den Columbia River bildet. Wir haben Glück: Wir erhalten den letzten freien Platz. Die State Parks sind durchwegs sehr gepflegt und werden auch beaufsichtigt. Es herrscht Ruhe und Ordnung. Meistens verfügen sie über Spazierwege. So hat der Staat hier ein Naturschutzgebiet mit einem Interpretive Trail eingerichtet. Wir verbringen in der Nachmittagshitze gute zwei Stunden, um Vögel zu beobachten. Wir sehen Northern Flicker (Specht, mit weissem Schwanz, schwarzem Bruststreifen, rötlichbraunen Flügelunterseite), einen schönen Great Blue Heron (Ardea herodias) mit langem Bart, Wachteln, einen grossen Raubvogel usw. Auf den Eisenbalken der alten Eisenbahnbrücke nisten zwei Ospreypaare (Seeadler). Wir sehen sie über den Fluss hin und her fliegen. Sie schreien fortdauernd. Am nächsten Morgen gehen wir noch vor dem Morgenessen nochmals zu den Osprey. Von der Fussgängerbrücke können wir sie gut beobachten und filmen. Einer sitzt in einem der beiden Nester auf dem Eisengerüst der alten Eisenbahnlinie, ein weiterer verzehrt auf dem Ast eines Baumes über dem Fluss sein Morgenessen, einen Fisch, der zwischen seinen Krallen noch zappelt. Eine Krähe versucht dauern, sich ihm unbemerkt zu nähern und wartet auf einen günstigen Augenblick, um an die Beute zu kommen, was ihr aber nicht gelingt.
Übrigens: der Columbia River, der wie in den letzten Nachrichten erwähnt, in Kanada entspringt, ist in Wirklichkeit eine über 1000 km lange Kette von 14 Stauseen, die intensiv für die Stromerzeugung, aber auch für Wassersport benützt werden.

Ab Montag wird das Reisen einfacher: Die Schulferien gehen mit dem Labor Day am 4.9. zu Ende. So wird auf Strassen und Campingplätzen weniger Betrieb sein. Auf der Strasse herrscht an diesem Wochenende aber noch viel Verkehr. Wir fahren an einer Unfallstelle vorbei: ein Roller liegt im Strassengraben. Polizei, Krankenwagen, Feuerwehr: alles ist präsent. Es ist der erste Unfall, den wir auf unserer nun doch schon fast fünf Monate dauernden Reise sehen!















CASCADE RANGE
ist eine Reihe von vergletscherten, z.T. aktiven Vulkanen (2000 bis über 4000 m Höhe), die sich von Kanada bis nach Kalifornien erstreckt. Diesen Bergen versuchen wir bis Kalifornien möglichst nahe zu folgen.

Die Strecke von der kanadischen Grenze bis Yakima führt durch eine recht kahle Landschaft. Den Fluss, zuerst den Okanogan River, dann den Columbia River, umsäumt zwar eine grüne Uferzone, doch dann erhebt sich zu beiden Seiten verbrannte Erde: kahle, steinige Bergabhänge, auf denen vermutlich einst Wälder standen. Anderseits hat sich dank dem Wasser, dem fruchtbaren vulkanischen Boden und dem warmen Klima das Tal zu einem bedeutenden Früchteparadies entwickelt. Der Strasse entlang reihen sich Verkaufsstände und Geschäfte, wo wir wunderbare aromatische Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Nektarinen, Pflaumen, Zwetschgen, Tomaten usw. günstig kaufen können. Wir machen es wie die Bären vor dem langen Winter: nach der Lachskur im Sommer eine Vitaminkur im Herbst - mit dem kleinen Unterschied, dass wir uns kein so dickes Fettpolster zulegen wollen.

Kaum fahren wir von Yakima weg Richtung Westen, befinden wir uns in einer grünen, üppigen Landschaft: entweder trockener Pinienwald oder undurchdringlicher Regenwald. Endlich sehen wir auch wieder Tiere, leider mehr überfahrene als lebende. Noch nie haben wir ein lebendes Stachelschwein gesehen, aber Dutzende tote, und kurz vor dem Mount Saint Helens sehen wir einen überfahrenen Dachs und etwas später zwei Opossums mitten auf der Strasse: eine Mutter mit ihrem Jungen. Auf dem Foto hat der Retoucheur die klaffende Wunde ‚behandelt’.

Wir fahren wiederum zum Mount Saint Helens, den wir von 1999 her kennen und den wir am 5. Juni von Westen her gesehen haben. Wir staunen über die reiche farbenfrohe Vegetation, die sich in den Jahren seit dem Ausbruch 1980 entwickelt hat. Und was uns vor allem freut und worauf wir lange gewartet haben: endlich können wir nach Herzenslust Huckleberries (eine Art Heidelbeeren) pflücken und ohne Angst vor dem Fuchsbandwurm essen.
Wir fühlen uns hier wie auf einer Plantage. Noch nie haben wir in der Wildnis so viele Sträucher mit derart grossen Beeren auf einmal gesehen. Hier warten Hunderte von Kilos Beeren. Wo bleiben da die Bären? Und natürlich machen wir wieder Konfitüre. Da wir keine Waage haben, hängen wir an ein Ende eines Kleiderbügels einen Plastiksack mit den Beeren, am anderen Ende gleichen wir mit der entsprechenden Menge Zucker aus. Dann nehmen wir ein Fünftel des Zuckers weg - und schon haben wir die richtige Mischung 5:4.



Am nächsten Tag verlassen wir den Staat Washington, überqueren (schon wieder!) den Columbia River und fahren durch Oregon zum Mt. Hood, einem weiteren Gipfel in der Kette der Vulkane. Die von Gletscher und Schnee bedeckten Vulkane erheben sich in einem gegenseitigen Abstand von etwa 50 km und bilden eigenständige Gebirgsstöcke. Gestern sahen wir den Mt. Rainier (fast 4400m), den Mt. Saint Helens (nach 1980 nur noch 2500m) und den Mt. Adams (3300m), heute den Mt. Hood (3427m) und im Süden den Mt. Jefferson (3300m). Am Samstag werden wir in der Nähe der Three Sisters (alle über 3000m) mit den tugendhaften Namen ‚Faith, Hope, Charity sein. Am Südhang des Mt. Hood führt eine gute Asphaltstrasse zur Timberline (=Waldgrenze) Lodge auf 1800 m Höhe. Dort können wir auf dem grossen Parkplatz übernachten. Wir geniessen die weite Rundsicht, den Sonnenuntergang und den (beinahe) Vollmond.
Die Timberline Lodge ist ein vom National Forest erbautes und geführtes komfortables Berghotel. Es wurde zur Zeit der grossen Depression erbaut, um Arbeitsplätze zu schaffen, und 1937 von Präsident Roosevelt eingeweiht. Die Investitionen waren enorm. Das erste Stockwerk ist aus grossem Bruchstein erbaut, darüber erhebt sich ein massiver Holzbau. Die grossen Balken haben eine Kantenlänge von etwa 80 cm. Ein grosser Aufwand wurde für das Mobiliar und die Schmiedeeisenarbeiten betrieben. Fast alles wurde an Ort und Stelle hergestellt. Mehrere Skilifte sind im Winter in Betrieb. Der Sommerskibetrieb, v.a. für Snowboarder, wurde erst vor zwei Wochen eingestellt. Schneemengen von 5-7m gibt es kaum mehr. Hier wurden auch Filme gedreht, z.B. Bend in the River (1951) mit J. Stewart und Julia Adams, All the Young Man (1950) oder der Horrorfilm The Shining mit Jack Nicholson.
Die nächste Nacht aber verbringen wir weiter unten an einem zauberhaften Waldsee. Wir haben einen schönen Platz mit Seeanstoss. Die Stimmung ist traumhaft. Ein Stockentenweibchen watschelt heran und bettelt um Futter. Ein Stellers Jay (blauer Häher mit Hauptkamm) krächzt. Raben fliegen umher und vollführen einen Mordslärm. Ein Fischadler segelt über den kleinen See. Natürlich geniessen wir kurz das Wasser und lassen uns an der warmen Sonne trocknen. Dann wandern wir auf einem schönen Weg in einer knappen Stunde rings um den von Mischwald umgebenen See.

Am nächsten Tag verlassen wir (nach drei Tagen!) den Wald und fahren südostwärts in eine von tiefen Canyons durchfurchte Hochebene, die z.T. landwirtschaftlich genutzt wird. Im Westen bleiben die Vulkangipfel der Cascade Range in Sichtweite. Am Samstag beginnen wir eine Rundfahrt durch diese Bergwelt und wollten abends bereits in Bend sein. Doch die Fahrt auf der schönen Bergstrasse durch den tiefen Wald und über offene Lavafelder, kürzere und längere Wanderstrecken unterwegs lassen die Zeit sehr schnell vergehen. So beschliessen wir am späteren Nachmittag, auf einem kleinen Campground, der nur gerade sieben RV’s Platz bietet, die Nacht zuzubringen. Wir hören das Rauschen des McKenzie River. Diesem Bergfluss entlang führt ein schöner Weg durch den dichten Wald zu zwei Wasserfällen. Das Wasser ist glasklar und eiskalt.

Heute Sonntag geht es weiter über Sisters nach Bend, wo wir im Visitor Center diese Nachricht absenden. Der Himmel ist immer noch wolkenfrei, die Sicht heute sehr klar, weil endlich die Waldbrände zurückgegangen sind. Das Thermometer klettert auf über 30° Celsius.

Das nächste Mal ein Bericht aus dem nördlichen Kalifornien!