In den Bergen Colorados
Bevor es in Moab (nach
Prognose) 38 Grad heiss wird, fahren wir dem zwischen hohen Felswänden sich
durchschlängelnden Colorado River flussaufwärts und gelangen bald einmal in eine richtige Wüstenlandschaft. In Cisco,
der ersten Ortschaft, wollten wir unsere Post in einen Briefkasten werfen. Das
Städtchen besteht aber nur noch aus einer Ansammlung von Brettern - eine
Geisterstadt. Umsomehr begeistert uns das Visitor Center von Grand Junction mit
einer grosszügigen Grünanlage mit schattigen Picknicktischen. Dann geht die
Fahrt in die Grand Mesa, stetig und recht steil aufwärts. Der Motor wird immer
kurzatmiger und benötigt zwischendurch mal eine Erfrischungspause. Wir fahren
durch dichte Wälder, an tiefblauen Seen vorbei und gelangen schliesslich zu
einem an einem erfrischenden Waldsee gelegenen Campground auf SAC-Hütten Höhe:
3080 m! Hier können wir bei angenehmen Temperaturen durch weite hohe Wälder
wandern und Blumen und Vögel beobachten. Die Grand Mesa ist ein Hochplateau,
liegt zwischen 2900 und 3200 m Höhe. Ausser ein paar Weiden, auf denen mit gut
Glück mal ein Hirsch anzutreffen ist, gibt es nur dichte Wälder und an die
hundert Bergseen. Einziger Nachteil: Unmittelbar nach der Schneeschmelze setzt
die Mückenplage ein, die vor allem Esther zu spüren bekommt. Trotzdem bleiben
wir zwei Nächte an diesem absolut ruhigen Ort und unternehmen eine grössere
Wanderung. Dann sitzen wir gemütlich draussen und schauen den Streifen- und
Erdhörnchen zu, die sehr zutraulich werden.
Steller's Jay
Black Canyon of Gunnison National Park
Dann geht die Fahrt wieder runter in die Ebene des Gunnison River, eines Zuflusses des Colorado Rivers. Sein südlicher Seitenarm hat in den letzten zwei Millionen Jahren einen bis 800 m tiefen Canyon gegraben. Die Ufer sind so steil, dass die Sonne nur selten bis in den Fluss hinunter scheint.
Weil der Canyon so schmal ist, wurde
er auch erst sehr spät entdeckt. Die erste dokumentierte Expedition, ebenfalls
von Hayden angeführt, fand 1873-74 statt. Man suchte nach einem Übergang der 48
Meilen langen Schlucht. 1901 durchfuhr man 33 Meilen der Schlucht auf
Gummimatratzen – in neun Tagen! Kurz darauf wurde ein 10 km langer Tunnel
gegraben, um das Wasser für die Bewässerung der Landwirtschaft abzuleiten. Auch
eine abenteuerliche Eisenbahnlinie führte in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts durch diese Schlucht. Erst 1999 wurde das Gebiet zum National Park
erklärt.
Hoch oben über den fast
senkrecht abfallenden Klippen finden wir einen schönen Stellplatz. Eine
Panoramastrasse führt dem Abgrund entlang. An verschiedenen Stellen steigen wir
aus und geniessen den Blick in die Tiefe und in die Bergwelt in der Ferne. Wir
wandern in den dichten Eichenwäldern am Canyonrand 100 Meter in die Tiefe. Auch
ein zweijähriges Muledeer (Hirsch) benutzt den Pfad, um am Rand an den frischen
Eichenschösslingen zu knabbern. Es lässt uns immer auf etwa zehn Meter
herankommen und eilt dann ein paar Schritte weiter. Es scheint auf uns zu
warten. Ein tolles Fotoobjekt!
Am nächsten Morgen geht
es dann wieder in die Ebene hinunter. Wir fahren Richtung Gunnison, weil ich
als Eisenbahnfan unbedingt etwas über die Bahnlinie der Denver & Rio Grande
Company, die von Gunnison zuerst etwa 30 Meilen durch den Canyon, dann, weil
der Canyon zu schmal ist, bei Cimarron mit 4% Steigung über einen Pass nach
Montrose führte, erfahren wollte. Natürlich kaufe ich mir gleich eine
Eisenbahnkarte Colorados. Wie man darauf sieht, wurde kurz nach der Jahrhundertwende
eine Unzahl Bahnlinien eröffnet, die vor allem dem Transport der
Bergbauprodukte diente. Nur wenige dieser Bergbaubahnen sind noch erhalten und
dienen heute dem Tourismus (s.u.)
Colorado
heisst auch ‚The
Centennial State’, weil er am 1.8.1876, hundert Jahre nach der
Unabhängigkeitserklärung, 38. Staat der USA wurde.
Mit einer Grösse von 269'601 km2 und einer Bevölkerung
von etwa fünf Millionen ist er weitaus dünner besiedelt als die Schweiz.
Die durchschnittliche
Höhe über Meer liegt bei 2000 m! 56 Gipfel sind höher als 14'000 Fuss (4264 m).
Die Hälfte des Landes ist
landwirtschaftlich genutzt.
'Nationalblume': Columbine (Aquilegia coerulea)
Das
Switzerland of America (Ouray)
ist das Tagesziel. In
einer kurzen Fahrt geht es südwärts und hinein in die Berge des Uncompahgre
National Forest.
Unterwegs
gibt es notfallmässig einen Halt in Montrose – diesmal nicht wegen Getriebe-Warnanzeige,
sondern wegen eines abgebrochenen Zahnes unseres Freundes. Dank der
Hilfsbereitschaft eines Angestellten finden wir einen Zahnarzt, der das Problem
dank einer Röntgenaufnahme bagatellisiert. Und
- oh Wunder – auch die Warnanzeige erlöscht – nach 800 Meilen Fahrt!
Auf
2200 m Höhe übernachten wir in Ouray, einer Bergbausiedlung der
Jahrhundertwende. Wegen der steilen hohen Berge ringsum wird es gerne mit dem
Namen unseres Landes geehrt. Und tatsächlich gibt es auch einen Swiss Store, in
dem wir Schweizerdeutsch sprechen und amerikanisch einkaufen können.
Das
ganze Gebiet – Utah wie Colorado - ist sehr trocken. Es hat hier dieses Jahr
noch nie geregnet! Der letzte Niederschlag fiel als Schnee im März. Deshalb
soll man Wasser sparen. Man ist gebeten, das Duschwasser nicht länger als 10
Minuten laufen zu lassen – haben wir noch nie im Leben!! Dafür wird der Rasen
des Campgroundes kräftig gewässert.
Nochmals Eisenbahn
Auf unserer Reise 2002
kamen wir gegen Mittag in Silverton an und wie ich im Visitor Center sah,
standen wir kurz vor der Ankunft des nostalgischen Dampfzuges von Durango.
Gleich rannte ich mit der Videokamera hinaus zum Bahngeleise und konnte noch
rechtzeitig die spektakuläre Einfahrt der fauchenden Lokomotive filmen.
Auf der nächsten Reise
2006 war natürlich die Fahrt Durango-Silverton und zurück fest eingeplant,
notabene am zweiten Tag nach der
Saisoneröffnung.
Auf unserer Fahrt von
Ouray nach Durango kommen wir wiederum in Silverton vorbei, und natürlich
rechtzeitig, um die Einfahrt des ersten Dampfzuges mitzuerleben. Von weitem
schon hört man das Fauchen der Lokomotive, die den Zug auf eine Höhe von 2700 m
ziehen muss.
Früher führte eine Bahnstrecke sogar über den Red Mountain
Pass (3350 m) ins Bergbaugebiet oberhalb
Ouray. Die Berge haben tatsächlich die rote Farbe der Metalle.
Mit dieser
Schmalspurbahn wurde das abgebaute Erz (Gold, Silber, Kupfer, Blei) ins Tal
transportiert. Die Strasse Ouray-Silverton, auf der wir fahren, heisst Million
Dollar Highway, weil der Strassenkoffer aus kostbarem edelmetallhaltigem
Gestein besteht.
Die Bahnstrecke Chama–Antonito
der Cumbres-Toltec Narrow Gauge Railway Co. wird erst Ende Mai eröffnet. So mussten
wir diese Fahrt auf heute verschieben.
Um 10 Uhr beginnt die
Lokomotive zu fauchen und fährt gemächlich mit sieben Wagen im Schlepptau los. Wir
sitzen im hintersten ‚Parlor’-Wagen, in dem früher nur die ‚Minenbarone’ und
hohen Politiker sassen. Entsprechend geehrt fühlen wir uns schon und werden
auch verwöhnt. Die Strecke ist über 100 km lang, steigt mit einer maximalen
Steigung von 4% 600 m hoch auf 3000 m und ist damit die längste und höchste
Nostalgiebahn der USA. Elfmal überqueren wir die Grenze New Mexiko-Colorado.
Nun, so dramatisch
wie auf dem Plan ist die Streckenführung auch wieder nicht. Die Ziehharmonika
darf ruhig auseinander gezogen werden. Doch imposant ist die Streckenführung allemal.
Dem Zug folgt in einem bestimmten Abstand ein Löschzug. Auch auf der Strasse
fährt ein Feuerwehrwagen. Die Gegend ist ja sehr trocken! Die Lok verdunkelt
den Himmel bei der Steigung. Die sonst weissen Stämme der Espen sind gelb-braun
verfärbt. Ein Heer von 2500 Freiwiligen setzt sich für den Unterhalt der Bahn ein.
Ohne sie wäre dieses Erlebnis nicht möglich.
2 Comments:
Meine Lieben
So schön, diese Reise - dank für die Bilder und die Beschreibung folge ich Euch auf dem Worte.
Das Muledeer ist wirklich sehr niedlich mit seinen riesigen Ohren! Und der Blick auf die Schlucht ist beeindruckend. Auch die Eisenbahn ist sehr imposant. Die originalen Tunnelkonstruktionen aus Holz haben mich jedoch etwas mulmig fühlen lassen.
Ich sitze hier immer noch im Regen.
Herzliche Grüsse, trotzdem.
Tschu tschuuuu! Die Buben möchten auch gerne mit der Dampflok fahren. Und in den Tunnel hinein. Und mit den Harley Davidson. Das hat den meisten Eindruck gemacht :) Ich hab schon erzählt, dass ihr Videos gemacht habt, darauf freuen sie sich sehr :) Und ich freu mich auch auf eure Face-to-face-Reiseberichte! Dieses Wochenende einmal? Herzlich Mela & boys
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