Bei den Gators
Vom kühlen Washington fliegen wir am 24.10.
in den Süden nach Fort Lauderdale (Florida) und geniessen seither den in der
Schweiz vermissten Sommer bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen bis 30°.
Wir haben Glück mit dem Wetter. Vergangene Woche stieg das Thermometer bis 35°
mit fast täglichen Gewittern. Der Wechsel könnte krasser nicht sein: vom
hektischen, kühlen Washington in die warme, ruhige, einsame Wildnis. Wir haben
uns für ein paar Tage in der Nähe der Everglades niedergelassen und machen
täglich Ausflüge in diesen grossen subtropischen Nationalpark Floridas.
Er ist mit 6104 km2 der
zweitgrösste Nationalpark Nordamerikas, erst 1947 gegründet. Der Park ist eine
riesige Ebene. Damit man sich eine Vorstellung machen kann: Auf der 50 km
langen Parkstrasse fahren wir über einen Pass, der sagenhafte 90 cm (Zentimeter!)
über Meer liegt!!
Die Everglades
reichen vom Lake Okeechobee im Norden bis an die Südspitze der Halbinsel. Sie
werden auch ‚River of Grass’ (Grasfluss) genannt. Der Fluss ist aber nicht als
solcher zu erkennen, da selten die offene Wasserfläche zu Tage tritt. Das bis
60 km breite und meist nur 15 cm tiefe Gewässer fliesst nur mit 1 Meter pro
Stunde! Fast die gesamte Fläche ist daher mit Gras bewachsen. Nur in den
erhöhten Gebieten (max. 2.4 m über Meer!) wachsen Bäume, wie Pinien, Königspalmen,
Mahagonibäume, Sumpfzypressen. Zu vergleichen sind die Everglades am ehestens mit
einer Prärie, welche den überwiegenden Teil des Jahres überschwemmt und nur im
Winter trocken ist. An diesen Wechsel haben sich Pflanzen und Tierwelt
angepasst.
Die Hälfte der ursprünglichen Fläche wird
landwirtschaftlich genutzt und das Wasser zum Teil zur Trinkwassergewinnung für
Städte wie Miami verwendet. Dieser Eingriff in den Wasserhaushalt sowie die
Belastung durch die Landwirtschaft sind für den Park ein grosses Problem. Bedroht
ist das Ökosystem auch durch den in den 1980er-Jahren aus Asien eingeschleppten
Tigerpython. Seine Zahl wird auf 10'000 geschätzt. Über 90% der Waschbären,
Opossums und Rotluchse sind bereits verschwunden. Auch grössere Raubtiere wie
Alligator und Florida-Panther können von ihm angegriffen werden.
Auf einer Bootsfahrt in die Mangrovenwälder
hinein und auf den vielen Trails sehen wir zahlreiche Tiere: Krokodile,
Alligatoren, hier einfach nur Gator genannt, Wasserschildkröten, Knochenhecht, verschiedene
Arten von Vögeln wie Waldstorch, Anhinga (amerikan. Schlangenhalsvogel),
Fischadler, Truthahngeier, Schwarzgeier, Flamingos, Pelikane, Kanadakraniche, verschiedene
Reiher (Kanadareiher, Blaureiher, Silberreiher, Dreifarbenreiher) und natürlich
die allgegenwärtigen Raben. Gewisse Tiere sind äusserst zahm: Ibisse nähern
sich bis auf 2 m. Die Schwarzgeier sind dagegen aufsässig: sie attackieren
gerne parkierte Autos. Am letzten Tag wandern wir alle Trails des Parks ab. Es
sind meist kürzere Wege, 600 -1200 m, oft auf Holzstegen über den Sümpfen, mit
vielen Informationstafeln über Geologie, Flora, Fauna. Vor lauter Beobachten
und Fotografieren vergesse ich, mich mit Sonnencrème einzuschmieren und hole
mir einen tüchtigen Sonnenbrand. Den Abend verbringen wir an einem See,
beobachten in aller Ruhe die Vögel und einen Alligator, der gemächlich im See
umherschwimmt und zwischendurch immer wieder für mindestens 15 Minuten auf den
Seegrund abtaucht.
In
den Florida Keys
Die Florida Keys sind eine der Südküste
Floridas vorgelagerte Kette aus über 200 Koralleninseln mit einer Gesamtlänge
von über 290 km. Sie sind die sichtbaren Teile eines alten Korallenriffes und
heute vollständig besiedelt.
Sie bekamen Ihre heutige Form als Ergebnis
drastischer Veränderungen in der Höhe des Wasserstandes als Folge der
Eiszeiten. Vor ca. 125’000 Jahren stieg der Meeresspiegel um 8 m oberhalb
des heutigen Standes. Südflorida war zu diesem Zeitpunkt ein seichter See. Es
formten sich mehrere parallel verlaufende Riffe südlich vom überfluteten
Florida. Vor ungefähr 100’000 Jahren begann während einer Eiszeit der
Meeresspiegel zu sinken, so dass das Korallenriff aus dem Meer herausragte. Vor
15’000 Jahren sank der Meeresspiegel 110 m unter den heutigen Level. Die
aus dem Meer herausragenden Riffteile und Ablagerungen erodierten sehr stark.
Der Kalkstein begann sich aufzulösen, lagerte sich teilweise als Gips wieder ab
und bildete zusammen mit den Überresten von Moostierchen die Oberfläche, aus
der das südliche Florida und ein Teil der Koralleninseln bestehen.
Von 1912 bis zu einem Hurrikan im Jahr 1935 waren die
Inseln durch eine Eisenbahnlinie verbunden. Heute erreicht man sie über die 42
Brücken des Overseas Highway, der bis nach Key West reicht. Doch wir fahren nur
bis zur bekanntesten der Brücken, der Seven Mile Bridge, und ziehen es vor, in
einem State Park durch die Wälder zu wandern. Die mit 10'931 Metern längste
Brücke ersetzte 1982 die vier alten, von 1912-35 der Eisenbahn dienenden
Brücken. Jedes Jahr führt ein Marathonlauf über sie hinweg.
Nun geht unsere Fahrt weiter an die
Westküste und dann ins Zentrum Floridas.
Alligator (Gator)
Wasserschildkröte
Anhinga (Schlangenreiher) beim Aufwärmen
junger Anhinga beim Fischen
Kanadareiher (Ardea herodias)
Ibisse am Strand
Silberreiher
weiblicher Anhinga
Schwarzgeier
Picknickplatz an einem See
im Pinienwald
Baumschnecke. In der Trockenzeit versiegelt sie ihr Haus am Baumstamm oder Ast
Lilie
Die Seven Mile Bridge. Rechts die alte Eisenbahnbrücke; links die neue 7 Meilen lange Strassenbrücke
Die geschwungene Seven Mile Bridge (Tele-aufnahme)