ursundestherunterwegs

Monday, July 02, 2012

In den Rocky Mountains

Hoch über dem alten Bergbaustädtchen Central City, nur 50 Meilen westlich von Denver, aber in einer Höhe von 2700 m übernachten wir auf einem Campground, von dem aus wir eine prächtige Rundsicht auf die Berge ringsum geniessen. Das kleine Städtchen erlebte 1859 einen richtigen Goldrausch. Innert zwei Wochen wuchs es auf 10'000 Einwohner. Heute ist es ein schmuckes Museumsstädtchen mit Hotels, Bars und vielen Casinos, das aber erst gegen Mittag aus seinem Nachtlebenrausch erwacht.

Am Samstag, 30. Juni, machen wir eine richtige Pässefahrt: Von der I-80 aus fahren wir nordwärts über insgesamt drei Pässe. Auf unserer Karte ist nur einer eingezeichnet mit einer Höhe von 3400 m. Der höchste jedoch liegt auf 3713 m! Es ist der höchste Highway Nordamerikas. Die Strasse ist sehr gut ausgebaut. Zum ersten Mal fahren wir in weiten Serpentinen aufwärts, wobei die Steigung nie 8% überschreitet. Erst in grösserer Höhenlage wird die Fahrbahn schmaler und die Leitplanken fehlen. Entsprechend vorsichtig ist das 2.52 m breite Gefährt zu steuern. 

Der dichte Wald reicht bis auf 3600 m. Auf der Fahrt beobachten wir mehrmals Wapiti, die grösste Hirschart Nordamerikas, aus nächster Nähe. Sie lassen sich durch die neugierigen mit Fotoapparaten bewehrten Touristen überhaupt nicht beim Fressen stören. Auf 3500 m Höhe sehen wir praktisch dieselbe Flora wie in unseren Alpen auf 2500 m. Daneben erfreut uns ganze Beete des Indian Paintbrush, von dem wir sogar eine violette Variante sehen.


Der Rocky Mountains National Park ist ein ausgedehntes Bergmassiv von der Grösse der halben Schweiz. Er weist viele Viertausender auf, hat aber keine Gletscher, sondern nur ein paar Firnfelder. Die Waldgrenze ist wie gesagt auf 3600 m.
Die Stellplätze im Campground auf 2500 m Höhe haben wir bereits im Januar reserviert. Wir taten gut daran: Er ist zu dieser Jahreszeit vollständig ausgebucht.
 
Fünf-Seen-Wanderung
Der Park ist am Sonntag sehr belebt. Es hat entschieden mehr Wanderer als Hirsche. Die Strasse bis zum Trailhead (Ausgangspunkt der Wanderungen) ist tagsüber nur mit dem Gratis-Shuttle befahrbar. Auf dem gut ausgebauten und nur leicht ansteigenden Weg zu den ersten drei Seen sind viele Familien unterwegs – wahrscheinlich ein Sonntagsausflug. Von Denver aus fährt man in anderthalb Stunden bis hierher auf 2950 m Höhe. Einen kapitalen Wapiti, eine riesige Hirschart Nordamerikas, können wir in aller Ruhe beobachten und filmen. Er liegt im Gras und ist sehr beschäftigt mit Wiederkäuen – und vermutlich mit dem Beobachten all der neugierigen Menschen, die ihn hundertmal fotografieren.

Auf der Karte sehen wir, dass es hier weit über 100 Bergseen gibt.


Auch am nächsten Morgen zieht es uns nochmals in die Berge. Von einem Gipfel aus geniessen wir die herrliche Rundsicht. Dann heisst es Abschied nehmen von der unberührten Natur. Wir fahren durch weite Wälder, dann das malerische Tal des Boulder Creek über Boulder nach Aurora (im Osten von Denver) in unser Hotel, wo wir packen und uns für die Heimfahrt rüsten. Wir haben noch einen ganzen Tag zur Verfügung, an dem wir nochmals in die Downtown fahren, und werden dann am Mittwoch Abend über Frankfurt nach Zürich fliegen.

Fremde Länder – fremde Sitten
An die öffentlichen Toiletten muss man sich erst mal gewöhnen. Die Amis sind an sich sehr diskret, doch hört die Diskretion an der Toilettentüre auf. Die Türen der Toiletten lassen sich zum Teil nicht oder nur mit Mühe schliessen. Unten und oben sind sie offen, so dass man an den Schuhen und heruntergelassenen Hosen gleich mal sieht, ob der Thron besetzt ist. Die Duschen sind manchmal nur durch einen losen Vorhang abgetrennt.
Wasserhahnen sind ein Problem. Wir haben jeden Tag andere Modelle gesehen. Einer liess sich sogar nur in Gegenrichtung öffnen. Bei einigen wird man bei hohem Wasserdruck gleich mal vollgespritzt, bei anderen kann man an einem Rinnsal kaum die Hände benetzen.
Freundlich und zuvorkommend in Geschäften und auf der Strasse sind die Leute aber allesamt, ausser in New Mexiko, wo man sich wieder richtig heimisch fühlt!
Trotz allem: wir verlassen die USA sehr ungern. Je länger wir uns hier aufhalten, umso wohler fühlen wir uns hier! Zwei Dinge werden wir vor allem vermissen:
1. Die Offenheit, Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Leute, und vor allem ihre Zuvorkommenheit im Strassenverkehr. Reisen in diesem Land ist sehr einfach. Überall kann man kompetente Auskunft einholen. In Notsituationen ist man nie allein gelassen. Da darf man vieles übersehen, wie z.B. das mangelnde Umweltbewusstsein. Vielleicht wären wir punkto Umwelt in der Schweiz immer noch auf dem Niveau von 1950, wenn wir so viel Landreserven wie die USA hätten und nicht notgedrungen wegen der erdrückenden Bevölkerungsdichte auf absolutes Energiesparen und  Recycling angewiesen wären.
2. Die unvergesslichen Naturerlebnisse: die unermesslich weite Landschaft, die Vielfalt von Fauna und Flora, die rührenden Begegnungen mit der wilden, aber nicht scheuen Tierwelt.
Und so fliegen wir am Independence Day mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause: einerseits nehmen wir so vielfältige Eindrücke mit und können sie unseren Lieben zu Hause mitteilen, anderseits stimmt uns der Abschied vom lieb gewordenen Lande traurig.