ursundestherunterwegs

Saturday, March 13, 2010

Von Zürich über Los Angeles nach San Diego

Den unangenehmsten Teil unserer Reise haben wir hinter uns gebracht. Wir, die leidenschaftlich gerne Zug fahren, dabei lesen, essen und umhergehen können, verbrachten über 13 Stunden, davon 12 Std. 20 Min. in der Luft, eingepfercht im Flugzeug. Der einzige Vorteil: wir haben so viel Geld für den Flug in der Economy Class gespart, dass wir nochmals eine solche Reise finanzieren können. Mit einem Airbus 340-300 der SWISS starteten am Donnerstag, 4. März, um 14 Uhr in Kloten - nach einer 45-minütigen Verzögerung: ein Kontrolllicht zeigte einen Fehler im Öldruck in einem der vier Triebwerke an. Der Service in der SWISS ist fast wieder auf dem Standard der SWISSAIR vor dem grounding! Die lange Zeit vertrieben wir uns mit Sudoku und Kinofilmen. Ich genoss den Katastrophenfilm 2012 und fühlte mich bei der Zerstörung unseres Zielortes und der halben Welt im Flugzeug in absoluter Sicherheit.
Um 17 Uhr landeten wir in Los Angeles. Mit an Bord war übrigens Roger Federer mit Familie. Er musste ebenfalls 13 Stunden im Flugzeug ausharren - allerdings mit erheblich besserem Komfort. Vielleicht hätte ich auch Tennis spielen sollen! Am Flughafen holte uns Rina ab und brachte uns in ihr Haus, wo wir drei Tage bleiben konnten. Mit ihr besuchten wir u.a. das Museum of Tolerance, wo sie als Freiwillige (natürlich ohne Entschädigung, wie das für die meisten Pensionierten in den USA üblich ist) Führungen anbietet.
An einem Abend gehen wir mit Rina, ihrem Ehemann und zwei befreundeten Ehepaaren ins Kino. Der Film 3D-Film von James Cameron AVATAR ist technisch faszinierend, inhaltlich aber natürlich dürftig. Nach der Vorstellung ist der Boden des Kinos übersät mit Popcorn, Bechern und Papieren. Ist das bei uns wohl auch so? Wir waren in diesem Jahrtausend noch nie im Kino!
Am Samstag Nachmittag holen wir in Carson bei Cruise America unseren RV (Recreational Vehicle), ein neueres Modell, nur 6 m lang - was uns das Parkieren auf normalen Parkplätzen erlaubt -, sparsamer, aber wie die meisten Miet-RV mit qualitativen Mängeln behaftet. Die Ausrüstung ist spärlich, die Duschbrause funktioniert nur nach gutem Zureden. Wir werden aber auch mit diesem Modell zurechtkommen.



Am Sonntag fahren wir schliesslich die 120 Meilen südwärts nach San Diego, wo wir zum Mittagessen bei unserer Tochter Mela und Örjan und ihrem Söhnchen Emil eintreffen. Das Wiedersehen nach über einem Jahr Trennung ist natürlich herzlich. Emil erkennt uns gleich, da wir ihm noch aus dem Auto ein Stofftierchen (eine Eule) entgegenstrecken, das wir immer bei unserem wöchentlichen Skypen gezeigt hatten. Die junge Familie wohnt seit über einem Jahr in einem kleinen Dreizimmerhäuschen nur zwei Blocks vom Meer entfernt. Das ist für das sportliche Paar wichtig, da sie leidenschaftlich gerne auf den Wellen surfen, und auch Emil seine Freude am Wasser hat. Mela hat vom Nationalfonds ein Forschungsstipendium erhalten und arbeitet hier auf ihrem Spezialgebiet Computerspiele für Jugendliche.

Wir bleiben eine ganze Woche in San Diego und freuen uns, mit der Familie zusammen zu sein, Besichtigungen zu machen und den Strand zu geniessen. Der Himmel ist ab Donnerstag wolkenfrei und das Thermometer klettert auf über 20 Grad Celsius, es bläst am Nachmittag aber stets ein kühler Wind. Im Internet lesen wir vom Wintereinbruch in der Schweiz!

Auf unserem Besichtigungsprogramm stehen u.a.:
die Old Town. Diese besichtigen wir an einem Tag alleine, um die junge Familie etwas zur Ruhe kommen zu lassen. Wir nehmen an einer Führung teil und erfahren allerlei Interessantes über die Geschichte der Stadt. Um 1820 wurden die ersten Häuser gebaut, aus Adobe (getrockneten Lehmziegeln), da das Bauholz fehlte. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts zählte die Stadt etwa 400 Einwohner, heute ca. 1.2 Mio. Das kleine Schulhaus, das lediglich ein Zimmer aufweist, steht wiederum am Originalstandort. Die erste Lehrerin, Mary Chase Walker, war aus Boston angereist und brauchte für diese Reise fast ein Jahr. Wir sehen auch das Gefängnis, ein kleiner Eisenkäfig, der im Sommer zu einer echten Sauna wurde, ein grosszügiges doppelstöckiges Hotel, das nun renoviert wird, die ausgedehnte Casa de Estudillo, welche die Familie eines Rinderbarons beherbergte usw.
An schöner Aussichtslage über der ursprünglichen Stadt befand sich das Fort Stockton. 500 mormonische Soldaten waren mit wenigen Frauen und Kindern im Juli 1846 vom Salt Lake Valley aufgebrochen und innert einem halben Jahr bis nach San Diego marschiert, wo sie die Californos im Kampf gegen Mexiko unterstützen. Gegen den Widerstand der Einheimischen (die Kumeyaay) siedelten sie dann am Fuss des Hügels und beeinträchtigten mit ihrer extensiven Viehwirtschaft die Ressourcen der Eingeborenen. Der karge, halbaride Boden liess keine Landwirtschaft zu. Das Weideland des Viehs war nicht eingezäunt und erstreckte sich über unermessliche Gebiete. Lediglich die Felle der Rinder und der vom Fleisch gewonnene Talg (ca. 90 kg pro Stück Vieh) wurden verkauft und mit Schiffen an die Ostküste gebracht. Aus dem Osten wurde im Gegenzug Holz importiert, da in dieser semiariden Region nur Weiden und kleine Gebüsche wachsen. Heute wird kein Talg mehr verkauft. Ich stelle mir vor, dass man pro fettleibigen AMI gute 20 kg Talg gewinnen könnte, wenn ihm in einer beauty-farm das Fett abgesaugt wird.

Mit der Familie fahren wir zum Cabrillo NM: Am 28.9.1542 landete der Portugiese Juan Rodriguez Cabrillo im Auftrag des spanischen Königs in der Bucht des heutigen San Diego. Er sollte Land erobern, eine Route zu den Gewürzinseln, die mythische Strasse von Anián, finden und natürlich auch Gold. Seine Crew eroberte 800 Meilen Küstengebiet. Cabrillo aber starb bereits am 3.1.1543 an einer Infektion, die er sich wegen eines Knochenbruches eingefangen hatte.
Wir besichtigen das Visitor Center und das Lighthouse, das der Familie Leuchtturmwärters als Wohnung diente. Die Kinder mussten den 8 km langen Schulweg nach San Diego (heutiges Old Town) in einem Ruderboot zurücklegen.
Beeindruckend ist auch das kleine Militärmuseum, das die Kämpfe gegen die Japaner im Pazifik dokumentiert. Erschütternd ist das schier unermessliche Areal des Soldatenfriedhofs: Abertausende Soldaten, die beim Angriff der Japaner umgekommen sind.

Den recht belebten Balboa Park besuchen wir am Samstag. Er hat eine Fläche von 60 km2, d.h. beinahe die Grösse der Stadt Zürich! Die Kakteen und seltenen exotischen Bäume blühen. Wir flanieren durch den El Prado, betrachten die prächtigen Orchideen im botanischen Garten, picknicken an einem ruhigen Plätzchen und quetschen uns mit Emil in eine Miniaturbahn, von Emil Tschutschu genannt. Erstaunlicherweise sehen wir nirgends in der Parkanlage Flaschen, Papiere oder andere Abfälle umherliegen. Warum ist uns dieser erholsame Anblick in der Schweiz verwehrt?

Morgen Sonntag fahren wir weiter ostwärts. Im Süden Arizonas erwarten uns sommerliche Temperaturen von gegen 30°. Wir freuen uns auf die Wärme und gedenken der in der Schweizer Kälte Zurückgebliebenen.

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