ursundestherunterwegs

Monday, March 22, 2010

Die Wüste Arizonas blüht

Am Sonntag, 14. März fahren wir von San Diego los, nachdem wir uns von unserer Familie bei einem Kaffee im RV (Recreational Vehicle) und einem Bad im Schwimmbad des Campgrounds verabschiedet haben. Wir werden den kleinen, quirligen Emil sehr vermissen und freuen uns jetzt schon, ihn in einem Monat wieder zu sehen.
In zügiger Fahrt geht es auf der I-8 ostwärts, dann durch einge gebirgige Landschaft, die wir von unserer Reise 2006 bereits kennen, über Julian in den Anza-Borrego Desert S.P. (State Park). Den Namen hat der Park von Juan Bautista de Anza, der 1775 hier durchzog, um eine Farm in San Francisco zu gründen, und der spanischen Bezeichnung Borrego für das Desert Bighorn Sheep (Wüstendickhornschaf), das es hier mit gutem Glück zu sehen gibt. Mitten in diesem riesigen Park (2'430 km2, 30mal die Fläche der Stadt Zürich ) erstreckt sich auf 200 m Höhe ü.M. eine 400 km2 grosse Ebene, an deren Rand ein gut eingerichteter Campground steht. Wir haben einen Stellplatz bereits in der Schweiz reserviert. Alle Plätze sind belegt, da hier die Ferien begonnen haben (Für Schweizer Begriff: Sommerferien!). Wir haben dieses Jahr Glück: Nach den vielen Niederschlägen im Winter blühen Blumen und Kakteen. Der Boden ist aber schon gelblich verfärbt. In der Nacht wird es recht kühl. Kaum ist die Sonne aber aufgegangen, brennt sie schon recht kräftig. Da es uns hier gut gefällt, bleiben wir zwei Nächte und machen am späteren Nachmittag - über Mittag ist es zu heiss! - eine Wanderung in einen Canyon (Palm Canyon Trail), in dem sich dem erstaunten Wanderer unvermittelt eine Palmenoase mit sprudelndem Wasser zeigt. Hier wie auf dem Campground wachsen die Kalifornischen Fächerpalmen (Washingtonia filifera), deren verdorrte Blätter den Stamm vollständig bedecken und vor dem Austrocknen und vor Insekten bewahren. Auf dem Rückweg hören und sehen wir allerlei Vögel, u. a. Esthers Familienvogel, Wachteln (Gambel’s Quail, Callipepla gambelii).
Wir sind natürlich erst nach Sonnenuntergang zurück, da wir immer wieder Pflanzen und Tiere beobachten. Ameisen (Harvest ants) bauen eigenartige flache kreisrunde Bauten, die von spriessenden kleinen Pflanzen umsäumt sind. Sie tragen Körner in den Bau, trennen dort ‚Spreu vom Weizen’ und tragen die Spreu wieder an den Rand hinaus, die dann zu spriessen beginnt und gleichsam einen Palisadenwall bildet.

Am Abend ist es absolut ruhig. Der Sonnenuntergang ist überwältigend. Die Berge leuchtend rot. Der Horizont ein Farbenspiel von rot, violett und blau in allen Schattierungen. Bald breitet sich am Himmel ein Teppich von unzähligen Sternen aus! Der Mond erscheint als schmale liegende Sichel, wie er auf den zahlreichen Minaretten in der Schweiz zu sehen ist.

Am Dienstag, 16.3. fahren wir zum Salton Sea auf -60 m Höhe hinunter. Die obere Schicht des Bodens auf Seehöhe ist weiss: vollständig versalzen. Für die intensive Landwirtschaft - Zitrusfrüchte, Reben, Gemüse - wird das fruchtbare Erdreich unter dieser Schicht aufgebracht. Es ist recht heiss und trocken! Durch den malerischen Box Canyon geht es dann hinauf. Wir überqueren die I-10 und gelangen in den Joshua Tree NP, den wir bereits 2002 besucht hatten.
Wir wollen nur einmal übernachten, bevor wir die lange langweilige Fahrt nach Phoenix unternehmen. Doch auf einen interessanten Trail können wir nicht verzichten: die Wanderung quer durch die Wüste, Hügel auf und ab, durch einen Canyon bis zur Lost Palms Oasis. Nach dieser vierstündigen Wanderung habe ich natürlich einen geschwollenen Fuss (Arthrose). Das Erlebnis der einsamen Wanderung mit der Beobachtung vieler Pflanzen und einiger weniger Tierarten hat sich gelohnt! Hunderte von kleinen Eidechsen eilen über unseren Weg. Die Ocotillo (Kerzenstrauch) treiben am Ende ihrer langen stacheligen Arme rote Blüten.

Die Fahrt nach Phoenix ist eintönig, die I-10 aber ist fast durchwegs gut asphaltiert. Wir fahren meist 75 Meilen/Stunde. Mit dem kleinen RV ist dies kein Problem. Er fährt ruhig und fast geräuschlos, und wir haben durchwegs den Tempomat eingeschaltet. Die weite Ebene wirkt wie ein Meer, aus dem sich einzelne Gebirge erheben. Wäre statt der Ebene Wasser, könnte man meinen, man fahre auf der Ägäis, aus der sich die kahlen Inseln erheben. Südöstlich von Phoenix verändert sich die Ebene, die allmählich gegen Tucson ansteigt. Der Boden ist von grünen Gräsern bedeckt, gelbe Blumen und die violetten kleinen Lupinen blühen. Wir haben grosses Glück. Nur alle paar Jahre, irgendwann zwischen Februar und Mai, kommt es zu einer spektakulären Wüstenblüte, sofern Niederschlagsmenge, Temperaturen und Sonnenscheindauer passen. Und diese Bedingungen sind nun eingetroffen. In der Anza-Borrego Wüste hatten wir gerade die Schlussphase der Blüte erlebt; das wussten wir bereits in der Schweiz (Internet). Auf den weiten Weideflächen, wo hin und wieder eine kleine Herde Rinder auszumachen ist, stehen Saguarokakteen (sprich: Sah-wah’-ro). Dieser Säulenkaktus (Carnegiea gigantea) erscheint in seiner heutigen Form erst nach der letzten Eiszeit. Er wird bis 18 m hoch, bis 300 Jahre alt und dient verschiedenen Vögeln als Behausung. Leider treibt er seine grossen weissen Blüten, die von Fledermäusen bestäubt werden, erst im Mai (so lange können wir nicht warten!). Das Fruchtfleisch wird von den Indianern als Nahrungsmittel verwendet.


Einrücklich sind auch die Teddybear Cholla (Opuntia bigelovii. Sie trägt einen feinen Pelz wie ein Teddybär; man sollte sie aber besser nicht streicheln) und Sträucher wie der grünstämmige Littleleaf Palo Verde (Cercidium microphyllium; Parkinsonie). Letzterer dient jungen Kakteen, v.a. dem Saguaro, als ‚nurse log’, Kindermädchen, d.h. in seinem Schutz können die jungen Pflanzen gedeihen. Die Heilkräfte des Creosote Bush (Larrea tridentata; Kreosotbusch) kannten bereits die Indianer und werden nun von der modernen Medizin genutzt. Im Picacho Peak S.P. sehen wir zum ersten Mal auch die Buckhorn Cholla (Cylindropuntia acanthocarpa) und den Fishhook Barrel Cactus (Ferocactus Wislizenii; Fasskaktus). Leider sind Säugetiere kaum zu beobachten. Der Versuch, das Desert Bighorn Sheep wieder heimisch zu machen, wird durch die vielen Wanderer mit Hunden (das ist in den State Parks erlaubt) erschwert. Von unserem Stellplatz im Catalina S.P. können wir aus nächster Nähe immerhin den Gila woodpecker (Gilaspecht), die kleine Weissflügeltaube und weitere zwitschernde Vögel beobachten.
Wir bleiben mehrere Tage in der Gegend um Tucson und geniessen die sommerliche Wärme. Tagsüber wird es bis gegen 28° warm, in der Nacht eher kühl. Am 21.3. fällt die Temperatur sogar unter den Gefrierpunkt. Bei 4° im RV fühlen wir uns wie in einem Kühlschrank, aber wohl eingepackt. Nur die Nase ist eiskalt. Wir übernachten und wandern im Picacho Peak S.P. und im Catalina S.P., wo wir bei jeder Wanderung einen kleinen Fluss (Sutherland Wash) durchwaten müssen - für uns in dieser trockenen Gegend eine richtige. Die schönste Route führt uns im Catalina S.P. durch eine wunderbare Flora in die Höhe zum Romeros Pool, in einen wasserführenden Canyon, wo zahlreiche Wasserbecken in einer üppigen grünen Vegetation zum Baden einladen. Das Wasser ist bräunlich und schäumt, ist aber sauber. Die Farbe stammt vermutlich von der Gerbsäure der Pflanzen und Bäume (wie im Rio Negro in Brasilien).





In Tucson besuchen wie das Pima Air & Space Museum (Pima sind Ureinwohner dieser Gegend), wo in Hangars und im Freien eine Unmenge von Flugzeugen ausgestellt sind. Beeindruckend ist die naturgetreue Nachbildung des ersten Flugzeuges, mit dem die Brüder Wright 1903 ihren ersten Kurzstreckenflug absolviert haben. Neben einigen Transportflugzeugen, z.B. der NASA, der Air Force I von John F. Kennedy, sind vor allem Kampfjets und Bomber aus der Zeit des 2. Weltkrieges und des Vietnamkrieges zu sehen. Die Volunteers (Freiwillige Mitarbeiter und Führer des Museums) sind Piloten aus dem Vietnamkrieg. Gleichzeitig erleben wir die ‚Hauptprobe’ für die grosse Flugschau, die am folgenden Wochenende stattfindet. Eindrücklich vor allem die Flugkünste der Thunderbirds!



Auch das Arizona State Museum in Tucson, welches in aufschlussreicher Form Ethnologie und Kultur der Ureinwohner des Südwestens, etwa zehn verschiedene Indianerstämme, unter ihnen Navajo, Hopi, Paiute, Apachen, Pima, Seri, thematisiert, beeindruckt uns sehr. Die Vergangenheit scheint gut aufgearbeitet zu sein. Man steht zu den Fehlern und Verbrechen, welche die Siedler, Miners (Bergmänner) und auch die Armee an den Indianern verübt hat. In wenigen Jahrzehnten wurde das Gleichgewicht der Natur zerstört, welche die Ureinwohner durch Jahrtausende bewahrt hatten.
Auf dem Weg in den Saguaro N.P., wo wir weitere zwei Tage verbringen wollen, sind wir endlich an einer Library vorbeigekommen, wo wir eine neue Nachricht in den Blog setzen und unsere Mails abrufen können. Unser PocketMail funktioniert immer noch nicht.




Thema: Wandern in den USA
Im Gegensatz zur Schweiz, wo den Wanderern und Bergsteigern keine Grenzen gesetzt sind, ist das Wandern (hiking) in den USA streng geregelt. Man wandert nur in den Nationalpärken (National Parks) und Pärken der einzelnen Staaten (State Parks): Man zahlt eine Tagesgebühr (day use) und parkiert seinen Wagen am Startort (Trailhead) oder holt für eine mehrtägige Wanderung eine spezielle Bewilligung (backpackers permit). Es darf nur auf vorgeschriebenen Pfaden gewandert werden. Backpackers dürfen sich höchstens 400 Fuss vom Pfad entfernen und nicht näher als 200 Fuss von einem Fluss campieren. Im Gegenzug sind diese Pfade gut unterhalten, gut ausgeschildert und kontrolliert; allerdings wird nur die Horizontaldistanz (in Meilen) angegeben, in seltenen Fällen auch die Höhendifferenz (Achtung: manchmal nur die Differenz zwischen Start und Ziel). Für die Strecke von der Hörnlihütte aufs Matterhorn würde z.B. 1.2 Meilen stehen. Normalerweise braucht man für eine Meile 20 Minuten! Da wäre Ueli Steck gefordert. Ausserhalb der Pärke sieht man keine Wanderer - und wenn man einen solchen sieht, ist es sicher ein illegaler mexikanischer Einwanderer, der von der Border Control (Grenzpolizei) abgefangen wird. Fussgänger in den Städten können nur Schweizer sein. Diese lässt man gehen, sind offenbar harmlos, wenn sie nicht gerade Banker sind. Wozu hat man denn Strassen und ein Auto? Selbst auf dem Campground fahren manche Leute mit dem Auto, das sie an ihre Riesencamper angekoppelt mitführen, zu den Waschräumen!
Einzigartig in den USA sind die grossen zusammenhängenden Wanderrouten, z.B. der Appalachen-Trail im Osten, der John Muir Trail in der Sierra Nevada oder der Pacific Crest Trail (PCT), der sich von der Grenze Mexikos bis zur Grenze Kanadas über 4000 km und 160'000 Höhenmetern erstreckt und in 6 Monaten zu bewältigen ist! Ich selber habe 1999 auf Vancouver Island den West Coast Trail erwandert, eine relativ bescheidene einwöchige Wanderung, aber ein unvergessliches Erlebnis!

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